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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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verschiedner Meinung sind. Und in der Tat, es fällt mir schwer, mir etwas vorzustellen, das aller Harmonie noch ferner läge denn eines Franziskaners Streitgespräch mit einem Mönch des Domenicus, ob sich’s denn unter dieser oder jener Kapuze seliger hinüberstürbe. Allein, hast du denn keinen andern Grund, daß einzig die Musik es dir noch immer , der Tanz hingegen nimmer angetan? So sag mir schon den ›Anlaß solchen Grundes‹!‹
    Es schien, als hätte diesen Unseligen sein unausprechliches Los dazu getrieben, das Elend, welches er anderen zufügte, um so ärger zu verhöhnen, je bitterer dasselbe wurde. Mag sein, daß dies auch unter weniger entsetzlichen Umständen, bei weniger grausamen Charakteren der Fall ist. Solche lustlose Heiterkeit ist ja nur oft die Maske, hinter welcher sich die verkrampften, verzerrten Züge der Seelenpein verbergen, – und jenes Gelächter, das niemals ein Ausdruck der Begeisterung oder des Entzückens gewesen, es ist häufig genug die einzig verständliche Sprache des Irrsinns und der Verzweiflung.
    ›Ich liebe die Musik, weil ich, sobald ich sie vernehme, an dich denke. Und ich habe aufgehört, den Tanz zu lieben, da ich beim Tanzen, obschon ich zunächst davon berauscht war, manches Mal deiner vergessen habe. So ist mir die Musik wie die Stimme meines Glaubens, der mich aufruft, des Gottes meines Herzens zu gedenken und ihm zu huldigen. Hingegen erscheint mir der Tanz wie eine unversehentliche Treulosigkeit, ja fast schon wie eine Entweihung.‹
    ›Dies ist fürwahr ein zarter, edler Grund‹, versetzte Melmoth ›doch es haftet ihm – wie denn auch nicht! – ein Schönheitsfehler an: er schmeichelt seinem Hörer nicht genug. Denn einmal schwebt, so sagtest du, mein Bildnis gleich einem Gotte auf der Töne Wogen, auf deren Wellenbergen triumphierend und anmutsvoll noch in den Wellentälern, – und gleich danach als einer jener Teufel, wie sie im Tanz durch eure Opern hüpfen, den Wirbel deiner Schritte zu begrinsen, so im Fandango du dich drehst und wendest, worauf den giftigen Schaum von meinen Lippen ich unverweilt in das Getränke mische, daran du in den Pausen dich erlabst. Wohlan – so laß Musik und Tanz beisammen, dieweil mir scheinen will, als brächt’ mein Bildnis – ob’s nun allein im Tanz, ob’s nur in Tönen vor dir erscheint – nichts Gutes über dich: im einen Falle martert dich die Reue, im andern schmerzt dich die Erinnerung. Wie, wenn dies Bild auf immer dich verließe, – wie, wenn das Band zerrisse, das uns eint, so daß die Bindung aufgehoben würde, die unsre Seelen schon ergriffen hat?‹
    ›Nur zu, du magst dies immerhin erwägen‹, versetzte Isidora in einem Ton, darin jungfräulicher Stolz und sanfte Bekümmernis sich mischten. ›Und tust du es, glaub mir, so will auch ich es versuchen. Es wird mich nicht viel Mühe kosten – bloß das Leben.‹
    ›Isidora‹, so raunte er in den sanftesten Tönen, deren er fähig war ›Isidora – so willst du denn die meine werden?‹
    ›Was bedarf es da noch der Worte?‹ entgegnete das Mädchen. ›Wenn es die Liebe ist, die da Antwort erheischt, so hab’ ich wahrlich schon genug gesprochen. Laß uns in aller Form die Hochzeit feiern, im Angesicht jener heiligen Kirche, deren unwürdiges Mitglied ich bin, und ich will die deine sein für immer. Doch mußt du erst noch die Familie bitten. Und überdies ...‹
    ›Und überdies – Nun denn, was zögerst du?‹
    ›Weil jene‹, setzte das Mädchen fort ›mit denen du sprechen mußt, nicht über Gott und nicht in meiner Sprache reden. Sie werden mit dir über den Reichtum und die Mitgift verhandeln. Und sie werden alles über jene Breiten wissen wollen, darin, wie du mir eröffnet hast, deine reichen und ausgedehnten Besitzungen liegen. Was aber kann ich ihnen darüber sagen, wenn sie mich fragen?‹
    Nachdem Isidora dies ausgesprochen, trat Melmoth so nahe wie möglich an das Fenster heran und flüsterte ein Wort, welches der Fragerin zunächst unverständlich blieb, falls sie es überhaupt vernommen hatte. So wiederholte sie bebend ihre Frage. Und abermals erhielt sie in leisem Ton die nämliche Antwort. Ihren Ohren nicht trauend und in der Hoffnung, sich verhört zu haben, fragte Isidora ein drittes Mal. Ein entsetzliches, zweisilbiges Wort, welches niederzuschreiben sich die Feder sträubt, erdröhnte ihr in den Ohren – und mit einem Aufschrei schloß sie das Fenster. Doch ach! Die Fensterläden, sie schlossen sich bloß vor der

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