Melmoth der Wanderer
heut’ die Träume mir erfüllt und mein zweites Leben in Schlaf wiegt, – inmitten all dessen hab’ ich beständig nur an dich gedacht, – von dir geträumt, – und dich geliebt!‹
›Geliebt sagst du? – Und mich? Kein Wesen hat mich je geliebt, indes, es ward noch jedes, das mich geschaut, die Beute seiner Tränen!‹
›Habe ich denn nicht geweint?‹ frug Isidora. ›So glaub an diese Tränen, – sie sind ja nicht die ersten, die ich um dich vergieße, noch fürchte ich, daß es die letzten sind.‹ Bei diesen Worten brach sie in Tränen aus.
›Spar dir die Tränen für die Stunde auf, da unsre Hochzeit sein wird‹, sagte Melmoth für sich ›dies wird Gelegenheit genug sein.‹
Und Isidora, dies nicht hörend, sagte mit kaum vernehmbarer Stimme: ›Wenn du mich wirklich liebst, so such mich nicht in aller Heimlichkeit auf. Meine Mutter ist zwar streng, aber ein guter Mensch, – mein Bruder zwar leicht erregbar, jedoch von freundlicher Gemütsart. Und was meinen Vater betrifft, so habe ich ihn zwar nie gesehen, allein, wenn er in Wahrheit mein Vater ist, so muß auch er dich lieben. Also besuch mich in Gegenwart meiner Familie, und dem Entzücken, das ich bei deinem Anblick empfinde, wird sich nicht länger Schmerz noch Scham gesellen. Und rufst du erst den Segen der Heiligen Kirche auf uns herab, vielleicht, daß dann ...‹
›Vielleicht!‹ gab Melmoth scharf zurück. ›Vielleicht! Du hast dies europäische Vielleicht recht wohl begriffen und die Kunst erlernt, den klaren Sinn der Rede zu verschleiern, indem du vorgibst, deines Herzens Vorhang zu lüften, wo in Wahrheit du ihn schließt, und uns die Hoffnung nimmst in dem Momente, da du uns neue Hoffnung geben willst!‹
›O nein! – Nimmermehr!‹ versetzte das arglose Wesen. ›Ich halt’ es unverbrüchlich mit der Wahrheit ! Und alles, was ich zu dir sage, sagt Immalee zu dir, obwohl ich für all die andern in diesem Land, das sie ein christliches nennen, Isidora heiße. Als ich erstmals in Liebe zu dir entbrannte, brauchte ich nur ein einziges Herz zu befragen, – nun aber sind viele um mich versammelt, und manches dieser Herzen gleicht so gar nicht dem meinen. Dennoch, wenn du mich liebst, kannst du auch ihnen gegenüber Zuneigung empfinden, indem du wie ich ihren Gott und ihre Heimstatt liebst, ihre Hoffnungen und ihr Land. Auch ich könnte ja nicht einmal mit dir glücklich werden, verehrtest du nicht wie ich jenes Kreuz, das deine Hand meinem suchenden Blick erstmals gewiesen, und jene Religion, welche, wie du mir wider Willen zugegeben, die schönste und segensreichste auf Gottes Erdboden ist.‹
›Tat ich das wirklich?‹ ließ sich Melmoth hören. ›Nun denn, so war’s auch wirklich wider Willen ! Die schöne Immalee hat mich bekehrt!‹ Ein teuflisches Gelächter kam ihn an, doch unterdrückte er’s, indem er sagte: ›Hat mich bekehrt zu ihrer Religion, zu ihrer Schönheit, spanischen Geburt und Redeweise, kurz zu alledem, was sonst ihr Herz von mir begehren mag! So will ich denn sogleich und unverzüglich der frommen Mutter, dem gereizten Bruder und all den andern lieben Anverwandten, wie stolz, empfindlich oder lächerlich sie sich auch geben mögen, nach Gebühr aufs artigste die Reverenz erweisen. Und will ertragen die gestärkten Krausen, die raschelnden Mantillas, die Gerüste von Walbein, die der Weiber Reifrock stützen, von deiner guten Mutter bis hinunter zur runzlichsten Duenna, die, bebrillt und hinter ihrer Klöppelei verschanzt, auf einem unnahbaren Sofa thront, das keinerlei Verführung je gesehen. Und will ertragen all die Backenbärte, die Federhüte und drapierten Capas der ganzen stolzen männlichen Verwandtschaft, und will mit ihnen Schokolade schlürfen und so gespreizt wie sie einherstolzieren! Und geben sie mich dann nach Fug und Recht und in des Schnurrbarts Zierde dir zum Gatten, um dessen Schultern gar ein Sammetmantel in aller abgeschabten Schwärze schlottert, dieweil ich eigenhändig meine Seele mit einem ellenlangen Federkiele auf schönstem Pergamente dir verschreibe, – dann will ich dir das allergrößte Land, das einer Braut je zugeeignet ward, als eine Mitgift in die Ehe bringen!‹
›So laß es jenes Land der Sonne und Musik sein, wo wir zum ersten Male einander trafen! Ein einziger Fußbreit seiner Erde, darauf ich unter Blumen wandeln könnte, er wöge Europas sämtliche Felder und Gärten auf!‹ sagte Isidora freudig bewegt.
»Mitnichten! – Es wird ein Land sein, das alle
Weitere Kostenlose Bücher