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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Nacht‹, sagte sie vor sich hin und wiederholte das Gesagte ein wenig vernehmlicher, vielleicht in der Hoffnung, als Antwort einige Worte des Trostes zu erhalten.
    Indes, Melmoth verharrte in seinem Schweigen, und so begann sie, da aller Lebensmut vor Aufregung sie verlassen hatte, zu weinen.
    »Bereust du schon den Schritt, den du getan?‹ so fragte ihr Begleiter und betonte dabei das Wörtchen ›schon‹ ganz eigentümlich.
    ›Nein, o Geliebter, nimmermehr!‹ entgegnete Isidora, dieweil sie sich gehorsam die Tränen trocknete. »Niemals könnte ich solchen Schritt bereuen. Nur diese Verlassenheit, – diese Finsternis, – die Schnelligkeit, – all das hat für mich etwas Fürchterliches an sich. Mir ist, als durchquerten wir eine unbekannte Region! Ist dies denn wirklich der Hauch des Himmels, welcher mich da umseufzt? Wo ist der Priester, unsern Bund zu segnen? Und wo die Kirche, unter deren Dache man uns vermählen soll?‹
    Während sie diese Worte ausrief, versuchte Melmoth, ihren Arm unter den seinen ziehend, sie sanft voran zu geleiten. ›Es gibt da‹, sagte er ›ein aufgelassnes, zerstörtes Kloster ganz in unsrer Nähe. Du sahst vielleicht es schon von deinem Fenster.‹
    ›Dort haust trotz allem‹, setzte er hinzu ›inmitten des zerfallenen Trümmerwerks ein heiliger Eremit ganz nahebei, der uns in seiner einsamen Kapelle zusammengeben und vermählen soll, ganz nach den Riten deiner Heiligen Kirche. Er spricht den Segen über unsern Bund, – und einer von uns beiden wird gewiß aus solchem Segen seinen Vorteil ziehn.‹
    ›Halt ein!‹ rief Isidora, indem sie sich in größtmögliche Entfernung von Melmoth zurückzog, wobei ihre zarte Gestalt all jene königliche Würde annahm, mit welcher die Natur dieses Wesen ausgestattet, da es noch die schöne und alleinige Herrscherin auf jenem paradiesischen Eiland gewesen war. ›Halt ein!‹ wiederholte sie ›und komm um keinen Schritt mir näher! Sprich auch kein weiteres Wort, es wäre denn, du sagtest mir genau den Zeitpunkt und den Ort unserer Vermählung an! Ich hab’ bisher viel Schrecknisse ertragen, – viel Zweifel, – viel Verdacht und Drangsalierung, – allein ...‹
    ›So höre mich doch an, o Isidora‹, sprach Melmoth, tief erschrocken, ob so plötzlich hervorgebrochener Entschlossenheit. ›Ich biete dir die Hand, dich sicher zu geleiten zu einem Hause, das geheiligt ist, und wo wir nach dem Brauche deines Landes vereinigt werden sollen!‹
    ›Du sprichst ja‹, so antwortete Isidora in verschüchtertem, bittendem Tone ›von der Heiligen Religion in Worten, welche mich erzittern machen. Du nennst sie einen Brauch meines Landes, als wäre sie bloß ein Ding der Form, des Zufalls, der Gewohnheit! Wie hältst du’s wirklich mit der Religion? Welches ist dein Glaube, – welches Gotteshaus ist das deine – nach welchem Ritual vollziehst du deine Andacht?‹
    ›Ich ehre jeden Glauben gleichermaßen, mir gilt ein Ritual dem andern gleich, und dies stets in dem nämlichen Respekt‹, versetzte Melmoth. Doch der sonst so leichthin ihm eigene Spott, er drohte zu erliegen dem stärkeren Gefühl des Entsetzens.
    ›So glaubst du denn in Wahrheit an ein höheres Wesen?‹ fragte Isidora. »Glaubst du denn wirklich daran?‹ wiederholte sie in angstvollem Eifer.
    ›Ich glaub’ an einen Gott‹ , versetzte Melmoth, doch war’s in einem Ton, der Isidora das Blut in ihren Adern stocken machte. ›Du hast gewiß von jenen schon gehört, die da nur glauben unter Furcht und Schrecken. Solch einer ist’s, der nunmehr zu dir spricht. Zwar mag ich als ein Heide dir erscheinen, der voller Spott und Hohn an gar nichts glaubt, indes, es gibt wohl keinen andern Dulder in dieser Kirche Christi, welcher jemals für seinen Glauben strahlender gebrannt, als ich für meinen Glauben brennen muß zu meiner Zeit in alle Ewigkeit. Nur in der Dauer unsrer Zeugenschaft besteht ja ein geringer Unterschied: die andern brannten eine kurze Weile, – und manche waren schon erstickt, bevor die Flammen ihnen auf den Leib gerückt. Mir aber ist’s verhängt, in ewigen Flammen des Evangeliums Wahrheit zu bezeugen! Ermiß daraus das strahlende Geschick, dem bräutlich nun das deine sich verbindet! Als Christin würdest du unzweifelhaft frohlocken, wenn du auf dem Scheiterhaufen den Ehgemahl für seine Religion am Brandpfahl sterben sähst. Um wieviel edler wird solches Opfer erst, wenn du bedenkst, daß meine Feuersqualen ewig währen!‹
    Allein, Melmoth sprach

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