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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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offenstehen‹, sagte er und erhob sich.
    ›Ihr werdet mich doch nicht alleinlassen wollen, hochwürdiger Vater?‹ fragte Donna Clara, welche vor Furcht wie gelähmt in ihrem Sessel saß und dem Pater bloß mit den Augen zu folgen vermochte.
    Pater José gab ihr keine Antwort. Er stand nun auf dem Gang, wo ein bestimmter Umstand seine Aufmerksamkeit erregt hatte: die Tür zu Isidoras Gemach stand offen, und drinnen brannte Licht. Zögernd trat er ein und blickte um sich, doch die Bewohnerin war nirgends zu sehen. So warf er einen Blick auf das Bett, doch konnte er dort keinen Abdruck einer menschlichen Gestalt gewahren, – das Lager war unberührt und in völliger Ordnung. Als nächstes zog das Fenster des Paters Blick auf sich, wie er denselben mit der Gehetztheit der Angst über die sämtlichen Einrichtungsgegenstände gleiten ließ. Er trat hinzu – es stand weit offen – und sah, daß es in den Garten führte. In dem Erschrecken ob solcher Entdeckung konnte der Pater nicht umhin, einen Schrei auszustoßen, welcher der Donna Clara durch und durch ging, wie sie, vor Zittern nicht fähig, dem Priester in das Zimmer zu folgen, auf dem Korridor hingesunken war. Der Gottesmann half ihr auf und geleitete sie in ihr eigenes Gemach zurück. Die elende Mutter, schließlich wieder auf ihrem gewohnten Platz sitzend, fiel aber weder in eine Ohnmacht, noch weinte sie, sondern versuchte lediglich, bleich bis in die Lippen, mit einer kraftlosen Handbewegung nach dem Zimmer ihrer Tochter zu deuten, so als wollte sie dahin gebracht werden. ›Zu spät‹, sagte der Priester, unbewußt die gleichen, unheilschwangeren Worte gebrauchend, welche in Don Franciscos Brief berichtet waren.«

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Responde meum argumentum – nomen est nomen
    – ergo, quod tibi est nomen – responde argumentum. [18]
    Beaumont und Metener’s Denkspiele mit allerlei Waffen

     
    »Es war die nämliche Nacht, auf die Isidoras Vereinigung mit Melmoth festgesetzt war. Bleich aber entschlossen an ihrem Fenster sitzend, vertraute sie völlig Melmoth’s ungewöhnlichem Versprechen, sie werde kraft der nämlichen Mittel, welche es ihm ermöglichten, Isidora zu besuchen, befähigt sein, ihre Flucht unerachtet des wohlverschlossenen Gemäuers und der argwöhnischen Haushaltung ins Werk zu setzen.
    Es war gegen eins, als Melmoth im Garten auftauchte und schweigend eine Strickleiter heraufwarf, welche er Isidora in kurzen, barsch geflüsterten Worten am Fenster befestigen hieß, worauf er ihr beim Hinabsteigen behilflich war. Danach eilten beide durch den Garten von dannen, wobei Isidora sich trotz aller Neuheit ihrer Empfindungen und ihrer Lage nicht enthalten konnte, ihre Verwunderung über die Leichtigkeit zu bekunden, mit welcher man durch die wohlgesicherte Gartenpforte gelangte.
    Die Nacht war ungewöhnlich finster – sie glich in nichts den Mittsommernächten in jenen köstlichen Klimazonen. Isidora, deren Wahrnehmung noch immer so körperlich war, daß sie alle Vorgänge in der Natur schon auf den ersten Blick als ein Orakel zu deuten wußte, schien diese düstere und aufgewühlte Szenerie ein böses Omen zu sein. Mehr als einmal hielt sie erschaudernd inne und blickte Melmoth voll Zweifel und Entsetzen an, doch konnte derselbe diese Blicke infolge der Finsternis solcher Nacht unmöglich gewahren. Vielleicht gab es dafür auch noch einen weiteren Grund, doch im Verlauf dieser eiligen Flucht wurde Isidora gleichzeitig von ihrer Kraft wie von ihrer Beherztheit verlassen. Sie nahm lediglich wahr, daß sie mit übernatürlicher Schnelligkeit dahingerissen wurde, – der Atem verging ihr, – ihr Fuß strauchelte, – und sie befand sich wie im Zustand des Träumens.
    ›Halt ein!‹ rief sie aus, keuchend vor Erschöpfung. ›Halt ein! – Wohin entführst du mich?‹
    ›Zum Orte deiner Hochzeit‹, sagte Melmoth mit leiser, beinah unhörbarer Stimme. Ob dies aber von innerer Aufgewühltheit oder bloß von der übergroßen Schnelligkeit kam, mit welcher sie dahinzufliegen schienen, vermochte Isidora nicht zu sagen.
    Schon wenige Sekunden danach mußte sie sich für nicht mehr fähig erklären, noch weiterzueilen, und so lehnte sie sich keuchend und erschöpft an Melmoths Schulter. ›Um Himmels willen‹, sagte sie unwirsch ›laß mich doch ein wenig rasten!‹ Melmoth gab keine Antwort, doch hielt er inne und stützte die Ermüdete unter allen Anzeichen der Ungeduld, nicht aber der Zärtlichkeit.
    ›Dies ist eine fürchterliche

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