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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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nicht geeignet für die Augen eines katholischen Lesers oder für die Verbreitung in einem christlichen Gemeinwesen zu erachten.‹
    Während der Herbergsvater solches mit einem Ernst sprach, der den Hörer zumindest an die Echtheit der Überzeugung des Sprechers glauben ließ, war derjenige, von welchem die Rede gewesen, an Don Franciscos Seite getreten.
    ›Senor‹, hub er an, ›mein Quartiergeber har die reine Wahrheit gesprochen. Die Person, die Ihr vorbeireiten saht, ist eines jener Wesen, hinter denen die menschliche Neugierde vergebens einherkeucht, – deren Leben dazu verurteilt ist, zur Legende zu werden, welche, von keinem geglaubt, in den Bibliotheken der Sammler vermodert, nicht einmal von jenen für wahr gehalten, welche die beträchtlichsten Summen an die Erwerbung solcher Kuriosa wenden, bloß um danach in ihrem Unglauben jene Werke herabzusetzen, von deren Anhäufung der Wert solcher Sammlung doch recht eigentlich abhängt. Freilich ist, nach meinem Dafürhalten, kein weiterer Fall bekannt, daß eine noch am Leben befindliche und offensichtlich alle menschlichen Funktionen ausübende Person schon zum Gegenstand der Memoiren Schreiber und zum Thema der Überlieferung geworden wäre. Nun befinden sich aber einige Aufzeichnungen von Dingen, die mit diesem einzigartigen Wesen zusammenhängen, schon jetzt im Besitz der auf alles Kuriose so eifrig erpichten Sammler. Und was mich selbst betrifft, so habe auch ich mir einige wenige jener Aufzeichnungen zu Gemüte geführt, welche an Sonderbarkeit so gut wie nichts zu wünschen übriglassen. Das unglaublich lange Leben, das jenem Manne zugeschrieben wird, sowie die Leichtigkeit, mit welcher er seinen Aufenthalt zu wechseln vermag, sie bilden den Hauptgrund dafür, daß die Abenteuer, in welche er verstrickt ist, so überaus zahlreich und einander doch so ähnlich sind.‹
    Nachdem der Sprecher geendet, hatte sich der Abend urplötzlich fast zur Nacht verfinstert, und schon klatschten da und dort ungewöhnlich schwere Regentropfen zu Boden. ›Ich fürchte, wir sehen einer stürmischen Nacht entgegen‹, sagte der Fremde und blickte mit einiger Unruhe in alle Windrichtungen. ›Es wäre besser, sich unter Dach zu begeben. Und wenn Ihr, Senor, nicht anderweitig beschäftigt seid, so will ich uns gern einige Stunden solch unerfreulicher Nacht vertreiben, indem ich Euch mit einigen auf den Wanderer bezüglichen Begebnissen bekanntmache, so zu meiner sicheren Kenntnis gelangt sind.‹
    Don Francisco nahm diesen Vorschlag mit Freuden an, zum einen Teil aus bloßer Neugierde, zum anderen jedoch aus der Langeweile des Alleinseins, welche ja niemals unerträglicher ist als in Wirtshäusern bei stürmischem Wetter.
    Der günstige Leser möge sich also die beiden in einem der schäbigen, oberen Gemächer eines spanischen Landgasthofes vorstellen, will sagen in einer Kammer, deren gesamtes Erscheinungsbild, obschon von tristester Düsternis und ohne alle Bequemlichkeit, dennoch etwas Malerisches an sich hatte, das nicht übel zu der abenteuerlichen und wundersamen Geschichte paßte, die daselbst erzählt und angehört werden sollte. Und dieweil der Sprecher in seiner Erzählung voranschritt, wurde eine jede Unterbrechung, die Aufgewühltheit oder Erschöpfung ihm abnötigten, aufs passendste ausgefüllt von dem tiefen Rauschen des Regens, der da in wahren Sturzfluten herniederströmte, – von dem seufzenden Stöhnen des Windes, – und dann und wann von einem fernen, schwachen, doch lange hinmurrenden Donnergrollen. ›Es tönt‹, so sprach der Fremde, den Blick von seinem Manuskript hebend ›als zürnten uns die Geister ob der Enthüllung ihrer Geheimnisse!‹«

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    ... und sie würfelten zumal.
    Das Spiel ist all’ bezahl, bezahl,
    Sie rief’s, und pfiff dreimal.
    Coleridge – aus der
    Gespensterballade vom
    alten Matrosen
Die Erzählung von Guzmans Familie
    »Das, was ich Euch nun vorlesen möchte (hub der Fremde an), habe ich zum einen Teil selbst miterlebt, zum verbleibenden Rest aber gründet es sich auf so starke Beweise, wie Menschenkraft sie nur immer herbeischaffen mag.
    Zu Sevilla, allwo ich so manches Jahr gelebt, kannte ich einen wohlhabenden, hochbetagten Handelsherrn, welcher von aller Welt nur Guzman der Reiche genannt wurde. Er war von zweifelhafter Geburt – und jene, die seine Geldmittel genugsam ehrten, um nur zu oft davon zu borgen, sie ehrten seinen Namen so wenig, daß sie demselben niemals die Anrede Don

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