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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Fragen sein könnte, welche sowohl die ewigen als auch die zeitlichen Interessen der eigenen Person berühren. In solchem Fall hat dieselbe ja den zweifachen Vorteil, sich sowohl mit ihren geistlichen als auch mit den natürlichen Eltern unterreden zu können.‹
    ›Mein Vater, ich flehe Euch an, sprecht ohne alle Ironie oder Spaßhaftigkeit. Ihr seid sicherlich äußerst gewitzt, doch ich wünschte, Ihr würdet Euch klar verständlich und ernsthaft ausdrücken.‹
    ›Du wünscht also, daß ich ernsthaft zu dir spreche?‹ Und er gab sich, indem er dies fragte, den Anschein, als sammelte er sich wirklich .
    ›Gewiß, das ist mein Wunsch.‹
    ›Nun, mein Kind, du wirst doch wohl nicht ernsthaft glauben, daß deine Eltern dich nicht lieben? Hast du nicht von frühester Kindheit an jedes Zeichen ihrer Zuneigung empfangen? Fühltest du dich nicht seit deiner Kindheit ohn’ Unterlaß an ihren Busen gedrückt?‹
    Diese Worte machten meine Beherrschung dahinschwinden, so daß ich nur unter Tränen mit ›O ja‹ zu antworten vermochte.
    ›Es tut mir in der Seele leid, mein Kind, dich so überwältigt zu sehen. Ich wollte mich ja lediglich an deine Vernunft wenden, dieweil du doch über einen ungewöhnlichen Anteil davon verfügst, und an sie wende ich mich auch jetzt: kannst du auch nur einen Moment annehmen, daß diese Eltern, welche dich mit solchem Zartgefühl behandelt haben, die dich lieben wie ihre eigene Seele, jemals dir gegenüber jene grundlose und mutwillige Grausamkeit an den Tag legen könnten, derer dein Verhalten sie bezichtigt? Sollte es dir da nicht in den Sinn kommen, daß hinter all dem ein vernünftiger Grund stehen müsse, und ein sehr wohlerwogener, bedeutsamer überdies?   Stünde es deinem Pflichtgefühl, deiner dankbaren Ehrerbietung sowie deinem überlegenen Verstand nicht besser an, solchen Ratschluß gewissenhaft zu prüfen, anstatt sich gegen ihn aufzulehnen?‹
    ›So hängt denn alles nur von meinem Verhalten ab? Nun, ich bin bereit, alles zu tun – und auch zu opfern.‹
    ›Wenn ich recht verstehe, so bist du willens, alles zu tun bis auf das eine, welches man von dir zu tun begehrt – alles zu opfern, nur nicht deine Neigungen.‹
    ›Aber Ihr habt mir doch einen Grund angedeutet.‹ Der Beichtiger schwieg. ›Ihr habt mich ermahnt, diesen Grund gewissenhaft zu prüfen.‹ Der Beichtiger schwieg noch immer. ›Mein Vater, ich beschwöre Euch bei dem Gewande, welches Ihr tragt, enthüllt mir dies fürchterliche Phantom. Es gibt nichts, vor dem ich zurückschrecken würde.‹
    ›Bis auf die Weisungen deiner Eltern. Allein – ist es mir denn erlaubt, jenes Geheimnis vor dir zu enthüllen?‹ Der Beichtvater sprach in einem Ton, als redete er zu sich selbst. ›Wäre es denkbar, daß du, der du gegen die Autorität deiner Eltern verstoßen hast, imstande wärst, Vater und Mutter dennoch zu ehren?‹
    ›Mein Vater, ich verstehe nicht, was Ihr meint.‹
    ›Mein liebes Kind, es ist mir auferlegt, dir gegenüber in einer Vorsicht und Reserviertheit zu verharren, welche meinem Wesen, das von Natur so offenherzig ist wie das deine, gar nicht zusagt. Aber ich fürchte mich davor, ein Geheimnis zu enthüllen. Es wäre unvereinbar mit meiner Gewohnheit, Vertrauen mit Vertrauen zu vergelten. Und ebenso fürchte ich mich davor, einem so ungestümen Wesen, wie das deine es ist, Enthüllungen zu machen.‹
    ›Mein Vater, sprecht doch ganz offen zu mir, ich bitte Euch darum! Meine Lage erfordert dies ebenso, wie Euer Amt es von Euch erheischt. Mein Vater, denkt an die Inschrift über dem Beichtstuhl, welche mich jedesmal beim Lesen bis ins Mark erschauern macht, und die da lautet: ›Gott hört jedes deiner Worte!‹ Denkt daran, auch Euch hört Gott allezeit! Und da wollt Ihr nicht rückhaltlos mit einem sprechen, dessen Schicksal dieser Gott in Eure Hände gelegt?‹
    Ein paar Minuten verharrte er in Schweigen, worauf er anhub: ›Mein liebes Kind, ich bekenne, daß ich bei meinem Kommen darauf vorbereitet war, dich wie einen Knaben zu behandeln, doch ich fühle, dir muß ich wie einem Manne begegnen. Du hast den Verstand, die durchdringende Geistesschärfe und die Entschlossenheit eines Mannes. Hast du auch dessen Gefühle?‹
    ›Stellt mich auf die Probe, mein Vater.‹ Ich ward noch immer nicht gewahr, daß all seine Ironie, sein Geheimnis und sein zur Schau gestelltes Gefühl eine einzige Komödie waren, um den Anschein echter Teilnahme und Offenheit zu erwecken.
    ›Nun wohl. Dann

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