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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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behandelt man mich so?‹ Darauf erfolgte keine Antwort mehr. Man führte mich zurück in mein Gemach, hielt während der Beerdigung mich unter strenger Aufsicht und ließ mich nicht zur Totenfeier gehen.
    Am übernächsten Tag teilte man mir mit, daß vorm Portal ein Wagen auf mich warte. Ich bestieg ihn und wurde zu einem Kloster ehemaliger Jesuiten geführt, wo man schon alle Anstalten für meine Unterbringung und Erziehung getroffen hatte, so daß ich noch am selben Tag dort aufgenommen wurde. Im folgenden widmete ich mich also ganz meinen Studien, meine Lehrer zeigten sich darüber erfreut, meine Eltern besuchten mich häufig und unter den gewohnten Bekundungen ihrer Zärtlichkeit, kurz, alles schien gut zu gehen. Dies blieb so bis zu dem Tage, da ich, als sie mich wieder einmal verließen, einen alten Diener aus ihrem Gefolge bemerken hörte, wie sonderbar es doch sei, daß der erstgeborene Sohn des jetzigen Herzogs von Moncada im Kloster erzogen werde und für das Mönchstum bestimmt sei, wogegen der jüngere in einem prächtigen Palast aufwachsen dürfe, umgeben von Lehrern, wie sie seinem Stande zukämen. Das Wort ›Mönchstum‹ gellte mir in den Ohren und lieferte mir augenblicks die Erklärung nicht nur für all die Nachsicht, welche mir bisher in dem Kloster widerfahren (eine Nachsicht, die sich auf keine Weise mit der dort üblichen Strenge der Disziplin vertrug), sondern auch für die ganz spezielle Art, in welcher ich stets von dem Pater Superior, den Fratres und auch von den Zöglingen angesprochen worden war.
    Jener Abend war es denn auch, der mir die Augen für die Gefahr öffnete, in welcher ich schwebte, und der mich erstmals darüber nachdenken ließ, auf welche Weise ihr zu begegnen wäre. Nichts lag mir ferner, als meine Tage einst als Mönch zu beschließen. Dennoch begann ich in meiner Zelle nach der Vesper und den abendlichen Exerzitien Zweifel zu hegen, ob denn nicht solcher Widerwille an sich schon sündhaft sei. Und da die Stille und Düsternis der Nacht meine Einbildung nur noch vertieften, lag ich stundenlang schlaflos und flehte zu Gott, er möge mich erleuchten, mir die Kraft verleihen, mich nicht mehr gegen Seinen Willen aufzulehnen, und mir Seinen Ratschluß in aller Klarheit offenbaren. So lag ich in größter seelischer Aufgewühltheit bis Tagesanbruch wach und ging zur Matutin, ohne ein Auge zugetan zu haben. Ich unterzog mich an jenem Tag meiner Exerzitien (wie sie genannt wurden) mit einem ungewöhnlichen, beharrlichen Eifer. Fast glaubte ich schon an die Notwendigkeit, mir Kasteiungen auferlegen zu müssen – diese verderblichen Ausgeburten des mönchischen Daseins. Um zwölf Uhr aßen wir zu Mittag, und bald nachdem der Wagen meines Vaters wie üblich vorgefahren war, wurde mir gestattet, eine Stunde an den Ufern des Manzanares zu promenieren. Doch heute befand sich zu meiner größten Überraschung der Vater in dem Gefährt, und obwohl er mich mit einer gewissen Befangenheit begrüßte, war ich doch entzückt, ihn zu erblicken. Er war doch wenigstens ein Weltkind – er mochte sich ein fühlendes Herz im Busen bewahrt haben.
    Doch um so mehr wurde ich durch die gemessene Redeweise enttäuscht, mit der er mich zum Besteigen des Wagens einlud. Alsbald gefror alles in mir zu dem unbeugsamen Entschluß, auch ihm gegenüber ebenso auf der Hut zu sein , wie ich dies in dem Klostergemäuer zu sein hatte.
    Das Gespräch begann folgendermaßen: ›Fühlst du doch wohl in deinem Kloster, mein Sohn?‹
    ›Überaus wohl.‹ (Kein Wort davon entsprach der Wahrheit, aber die Furcht, überlistet zu werden, war allzeit ein Lehrmeister der Falschheit, und wir müssen unsern Lehrmeistern für alles dankbar sein.)
    ›Der Pater Superior ist sehr von dir angetan.‹
    ›Es scheint so.‹
    ›Die Fratres sind auf deine Unterrichtung bedacht, haben auch die Fähigkeit, dein Studium auf den rechten Weg zu leiten, und wissen deine Fortschritte wohl zu würdigen.‹
    ›Es scheint so.‹
    ›Und die Zöglinge – sie kommen aus den ersten Häusern Spaniens – scheinen sämtlich zufrieden mit ihrem Los und emsig darauf bedacht, dessen Vorteile wahrzunehmen.‹
    ›Es scheint so.‹
    ›Mein lieber Sohn, weshalb antwortest du mir schon zum drittenmal mit der selben, eintönig-sinnlosen Phrase?‹
    ›Da ich dies alles nur für bloßen Schein halte.‹
    ›Wie – du möchtest also behaupten, daß all die Frömmigkeit jener heiligen Männer, all die tiefe Lernbegier ihrer Schüler, deren Studien

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