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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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versuche, dir vorzustellen –‹
    ›Ach, mein Vater! Sagt mir doch nicht, daß ich mir irgend etwas vorzustellen habe – sagt mir die Wahrheit!‹
    ›Törichter Knabe – bin ich denn ein so schlechter Maler, daß ich unter den Dargestellten auch noch dessen Namen setzen müßte?‹
    ›Jetzt verstehe ich, mein Vater, und will Euch hinfort nicht mehr unterbrechen.‹
    ›Dann versuche, dir die Ehre eines der ersten Geschlechter Spaniens vorzustellen. Den Frieden dieser ganzen Familie, die Gefühle solch eines Vaters, die Ehre der Mutter, die Ansprüche der Heiligen Religion, die ewige Seligkeit eines ganz bestimmten Menschen, und all das in die eine Waagschale geworfen: wodurch könnte sie wohl aufgewogen werden?‹
    ›Durch nichts‹, antwortete ich voll Feuer.
    ›Nun eben. In die andere Waagschale wirfst du ein Nichts, die Launen eines noch nicht einmal dreizehnjährigen Knaben. Und das ist auch alles, was du den Ansprüchen der Natur, der Gesellschaft und des Allmächtigen Gottes entgegenzusetzen hast.‹
    ›Mein Vater, was Ihr da gesagt habt, erfüllt mich mit Entsetzen! Hängt denn wirklich alles nur von meiner Person ab?‹
    ›So ist es. Alles hängt von dir ab.‹
    ›Aber was soll das, ich bin ganz verwirrt, ich will ja gerne ein Opfer bringen, so sagt mir doch welches?‹
    ›Ergib dich, mein liebes Kind, dem Klosterleben. Nur damit kannst du die Hoffnung all derer, die dich lieben, erfüllen, deine eigene Erlösung befördern und Gottes Ratschluß befolgen, den Willen jenes Gottes, der dich in eben diesem Augenblick durch die Stimmen deiner treubesorgten Eltern und die demütige Bitte deines geistlichen Beistands ruft, welcher nun vor dir im Staub kniet.‹ Und schon sank er vor mir auf die Knie.

     
    Solcher Fußfall, unerwartet und widerwärtig wie er war, ganz dem mönchischen Brauch der komödiantischen Selbsterniedrigung entsprechend, machte alle Wirkung seiner Rede augenblicks zunichte. Ich entzog mich den Armen, welche sich schon nach mir ausgestreckt, indem ich sagte: ›Mein Vater, ich kann nicht – aus mir wird nimmermehr ein Mönch.‹
    ›Nichtswürdiger Schurke! So weigerst du dich also, dem Ruf deines Gewissens, den Beschwörungen deiner Eltern und der Stimme deines Gottes zu gehorchen?‹
    ›Ich weigere mich, mein Vater.‹
    ›Du nimmst es auf dich, dem Groll deiner Eltern und den Verfolgungen durch die Kirche zu trotzen?‹
    ›Ich habe nichts getan, um diese zu verdienen.‹
    ›Dennoch wird dir beides widerfahren, solange du von deinem verabscheuungswürdigen Entschluß nicht abläßt, ein Feind Gottes zu sein.‹
    ›Der ist kein Feind Gottes, der die Wahrheit sagt.‹
    ›Lügner und Heuchler – du lästerst Gott!‹
    ›Wahrt Eure Zunge, Vater! Denn was Ihr sagt, steht Eurem Stande übel an, und übel diesem Ort!‹
    ›Den Tadel habe ich verdient, und ich beuge mich vor ihm, auch wenn er aus dem Munde eines Kindes kommt.‹ Und er senkte seinen Heuchlerblick, faltete die Hände überm Leib und murmelte: › Fiat voluntas tua . Mein liebes Kind, der Eifer im Dienste des Herrn und zur Ehre deiner Familie, welcher ich sowohl durch mein Amt als auch durch Neigung verbunden bin, haben mich zu weit gehen lassen, ich bekenne es. Muß ich aber auch von dir, mein Kind, Vergebung erbitten um jenes Überflusses an Zuneigung und Eifer willen, den ich für deine Familie im Herzen trage, um eines Eifers willen, dessen der Abkömmling solchen Hauses so sehr ermangelt?‹
    Ich befand mich nun in einer Gemütsverfassung, welche den Absichten dieses Beichtigers trefflich zupaß kam. Er nahm seinen Urlaub, indem er mich beschwor, ich möge nur fortfahren in meiner Bemühung, den Himmel um Erleuchtung und um Weisung des rechten Weges anzuflehen, während er alle Heiligen kniefällig bitten werde, sie mögen das Herz meiner Eltern bewegen und ihnen offenbaren, auf welche Weise sie mich vor dem Verbrechen und dem falschen Schwur eines erzwungenen Gelübdes bewahren könnten, ohne freilich selbst eines noch schwereren, ja möglicherweise noch schwärzeren Verbrechens schuldig zu werden . Nachdem er dies gesagt hatte, ließ er mich allein, um bei meinen Eltern all seinen Einfluß aufzubieten, auf daß sie mich mit jedem, auch dem strengsten Mittel, dazu brächten, mein mönchisches Dasein auf mich zu nehmen.
    Für mich waren die nächsten Tage von unbeschreiblicher Seelenpein erfüllt. Ich hatte wieder etwas, worauf ich hoffen durfte, und dies ist bisweilen besser als das, woran man sich erfreuen

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