Melodie der Leidenschaft
für mich eingerichtet und in ihrem Testament Anweisungen zu meiner musikalischen Ausbildung gegeben. Dank meiner Mutter wurde ich von einigen der besten Geigenlehrern der Welt ausgebildet.“
„Machen dir die Auftritte denn Spaß?“, fragte Nicolaj sanft. „War der Traum deiner Mutter auch dein Traum?“
Ella runzelte die Stirn. „Natürlich! Was für eine merkwürdige Frage. Die Musik ist mein Leben, und ich liebe das Geigenspielen!“
„Das habe ich nicht gefragt. Es klang eben so, als würde dein Leben von deiner Mutter diktiert, noch über ihren Tod hinaus. Hast du auch einmal einen anderen Beruf in Erwägung gezogen?“
„Mein Leben wird nicht von meiner Mutter diktiert!“, entgegnete Ella aufgebracht. „Sie wünschte sich einfach für mich die Chancen, die sie selbst nie hatte! Und ich bin sehr froh, dass ich ihren Traum erfüllen kann!“ Auch ich habe mir immer eine Karriere als Solistin gewünscht, redete sie sich ein. Die Wahrheit war jedoch: Sie liebte es zwar, gemeinsam mit dem Orchester zu spielen, aber vor Soloauftritten machte ihr das Lampenfieber sehr zu schaffen. Was ihre Berufswahl anging, so hatte Ella tatsächlich kurz ein Jurastudium erwogen, nachdem an ihrer Schule ein im Bereich Menschenrechte tätiger Jurist einen Vortrag gehalten hatte. Doch diese Idee hatte sie schnell wieder verworfen. Musik war ihr Leben, und sie fühlte sich verpflichtet, den Weg zu gehen, den ihre Mutter für sie vorgezeichnet hatte.
„Mum hoffte auf eine erfolgreiche Karriere für mich, damit ich nie finanziell von einem Mann abhängig wäre wie sie von meinem Vater“, erklärte sie leise. „Und diese Unabhängigkeit gibt mir die Musik.“
Sie deutete nun schon zum zweiten Mal an, dass das Verhältnis zu ihrem Vater sehr schwierig war. Normalerweise nahm Nicolaj keinen Anteil am Privatleben seiner Affären, und doch wollte er gern mehr über Ella erfahren.
„Ich nehme an, dein Vater hat dich nach dem Tod seiner Frau allein aufgezogen. Hattest du auch zu ihm eine enge Beziehung?“
Einen Moment lang sah Ella das kalte, schmallippige Gesicht ihres Vaters vor ihrem inneren Auge – und die unverhohlene Abneigung in seinem Blick. Er hatte ihren Hass gespürt und sich einen Spaß daraus gemacht, sie mit bösartigen Bemerkungen zu provozieren.
„Nein“, erwiderte sie heftig. Als Nicolaj sie erstaunt ansah, fügte sie hinzu: „Ich wurde aufs Internat geschickt. Mein Vater war ohnehin lieber in seiner Villa in Südfrankreich als auf Stafford Hall.“
Nicolaj wollte weiter nachhaken, doch zum Glück wurde in diesem Moment der erste Gang gebracht.
Der Kaviar war in einer Kristallschale angerichtet, die in einer größeren, mit Eis gefüllten Schale stand. Dazu gab es kleine Buchweizenpfannkuchen. Als Ella die winzigen schwarzen Fischeier betrachtete, verging ihr der Appetit.
Nicolaj unterdrückte ein Lächeln. „Hast du schon einmal Kaviar gegessen?“
„Nein“, gestand sie. „Ich habe gehört, dass er sehr eigen schmeckt.“
„Kaviar ist die Speise der Götter. In Russland isst man ihn mit dem Löffel und trinkt dazu eisgekühlten Wodka. Aber da du in Bezug auf Kaviar noch Jungfrau bist, sollten wir den Wodka vergessen, damit du Konsistenz und Geschmack unverfälscht genießen kannst.“
Ella errötete heftig. Hoffentlich hatte Nicolaj nicht erraten, dass sie nicht nur in Bezug auf Kaviar noch Jungfrau war! Sie sah zu, wie er die glänzenden schwarzen Eier auf einen Glaslöffel häufte. Dann führte er den Löffel an ihre Lippen.
„Mund auf, Augen zu“, befahl er mit seiner tiefen, samtweichen Stimme und sah ihr tief in die Augen.
Plötzlich schien die Luft zwischen ihnen zu knistern, und Ella nahm nichts mehr vom Stimmgewirr der anderen Gäste wahr. Es gab nur noch sie und Nicolaj. Folgsam senkte sie die Lider, spürte den Löffel kalt an ihren Lippen und dann die winzigen Kügelchen auf der Zunge.
Sie schmeckten ein wenig nach Fisch, leicht salzig und sehr intensiv. Als Ella die Lider wieder hob, blickte sie direkt in Nicolajs stahlblaue Augen. Er beobachtete sie so aufmerksam, und das ganze Erlebnis war so sinnlich, dass sie erschauerte.
„Und, wie lautet dein Urteil?“
Sie schluckte den letzten Rest Kaviar hinunter, ließ sich die Zunge über die Lippen gleiten und merkte gar nicht, wie sehr Nicolaj dies erregte. „Himmlisch“, sagte sie ein wenig heiser.
Er atmete hörbar ein, richtete sich auf und durchbrach damit die erotische Spannung, die sie beide in ihrem Bann gehalten
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