Melodie der Leidenschaft
den nächsten Stunden würde sie den neuen Mieter nicht stören, denn nachdem Onkel Rex gegangen war, hatte Nicolaj angekündigt, er werde zum Mittagessen in den Pub gehen. Seine Einladung, ihn zu begleiten, hatte Ella abgelehnt. Stattdessen wollte sie das Stück von Debussy üben, das Teil ihres neuen Albums sein sollte. Danach würde sie einkaufen gehen, um ihren Kühlschrank aufzufüllen.
„Ist dir eigentlich klar, dass du schon seit über vier Stunden praktisch ohne Pause spielst?“, hörte Ella Nicolajs tiefe Stimme durch die offene Terrassentür.
Dass er nach seiner Rückkehr eigentlich einen wichtigen Finanzbericht hatte lesen wollen, ihr dann aber den ganzen Nachmittag zugehört hatte, verriet er nicht. „Es ist Zeit zum Essen!“
„Essen? Wie spät ist es denn?“, fragte Ella verdutzt.
„Fast sieben Uhr.“
„Mist!“ Sonntags hatte der Supermarkt nur bis vier geöffnet, in ihrem Kühlschrank herrschte gähnende Leere, und als nun ihr Magen vernehmlich knurrte, fiel ihr wieder ein, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.
Von draußen zog ein köstlicher Duft herein. Als Ella schnupperte, sagte Nicolaj: „Ich habe Essen bestellt. Isst du gern thailändisch?“
Eigentlich hatte Ella beschlossen, sich kategorisch von ihm fernzuhalten. Doch der Hunger war stärker als ihr Stolz. „Unheimlich gern“, gab sie zu.
„Gut.“ Mit einem Lächeln, bei dem ihr heiß wurde, sagte Nicolaj: „Komm einfach, wenn du so weit bist.“ Er wandte sich um und ging in seinen Teil des Hauses.
Eigentlich wollte Ella sich nicht umziehen. Doch der milde Juniabend lieferte ihr die perfekte Ausrede, das silbergraue Seidenkleid zu tragen, das sie kürzlich gekauft hatte, weil Jenny meinte, es habe genau die Farbe ihrer Augen. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie ihre Wimpern getuscht und hellrosa Lipgloss aufgetragen. Das Haar ließ sie offen, dann tupfte sie sich noch Chanel auf die Handgelenke und blickte in den Spiegel. Zu ihrer Bestürzung waren ihre Augen dunkel und ihre Wangen rosa angehaucht vor Aufregung und Vorfreude. Wir essen doch nur zusammen, ermahnte sie sich und ging über die Terrasse zu der Eingangstür des Hauptgebäudes, fest entschlossen, Nicolajs Charme zu widerstehen.
Die Tür stand offen. Im Türrahmen zum Speisezimmer blieb Ella stehen. Der Tisch war für zwei gedeckt, Kerzen in eleganten silbernen Leuchtern warfen sanftes Licht auf die Tischdekoration aus weißen Rosen. Das Ganze wirkte unglaublich romantisch …
Schnell verwarf sie diesen Gedanken. Nicolaj hatte mit Romantik nichts am Hut. Doch als er auf sie zukam, atemberaubend und sexy in einer schmalen schwarzen Hose und einem Hemd aus feiner weißer Seide, durch das sie die dunklen Brusthärchen sehen konnte, schlug ihr Herz wie verrückt. Die erotische Spannung zwischen ihnen brachte die Luft zum Knistern.
„Du siehst bildschön aus“, sagte er ruhig und ein wenig rau, sodass die vier einfachen Wörter wie eine sinnliche Liebkosung über Ella strichen. Das Glühen in seinen Augen weckte heißes Verlangen in ihr.
„Danke“, sagte sie atemlos und war erstaunt, dass dieses sexy Hauchen ihre Stimme sein sollte. Sie nahm Platz und faltete langsam ihre Serviette auseinander.
„Champagner?“ Nicolaj nahm eine Flasche aus dem Kühler.
Ella schüttelte den Kopf und schenkte sich schnell aus einem Krug Wasser ein. Sein neckendes Lächeln ließ sie erröten, doch Nicolaj hielt ihren Blick gefangen, sodass sie den Kopf nicht abwenden konnte.
Plötzlich kam jemand herein, und der Bann war gebrochen.
„Das Essen“, kündigte Nicolaj an und nahm ihr gegenüber Platz. „Tak-Sin ist einer der besten thailändischen Köche von ganz London.“
Der Mann rollte einen Servierwagen mit zahlreichen verschiedenen Gerichten an den Tisch.
„Ich … ich dachte, du hättest dir Essen liefern lassen.“ Ella atmete den köstlichen Duft der klaren Suppe ein, die Tak-Sin ihr servierte. Als sie ihm lächelnd dankte, begann er, die thailändischen Namen der Gerichte herunterzurattern.
„Tak-Sin spricht kaum Englisch“, erklärte Nicolaj, der ihren hilflosen Blick bemerkte. „Der erste Gang ist Huhn mit grünen Paprika. Das da sind Garnelen mit süß-saurem Gemüse, dieses ist etwas mit Rind, glaube ich zumindest.“
„Auf jeden Fall sieht alles sehr lecker aus.“ Allein die Suppe war eine Wohltat für ihren leeren Magen. Während der nächsten zehn Minuten probierte Ella die Gerichte mit einer Konzentration, die Nicolaj zum
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