Melodie der Liebe
lächelte schläfrig. Sein Tonfall zeigte ihr, dass er bereits schwach wurde. „Mrs. Patterson ist richtig nett. Alle Kinder mögen sie. Sie lässt uns jeden Freitag ein Ratespiel machen.“
„Das hast du schon gesagt.“ Und ich habe mir Sorgen gemacht, dachte Spence erleichtert. „Ich habe das Gefühl, dir gefällt die Schule.“
„Sie ist ganz gut.“ Sie gähnte ausgiebig. „Hast du all die Zettel ausgefüllt?“
„Du kannst sie morgen wieder mitnehmen.“ Die ganzen fünfhundert Bögen. Was für eine Bürokratie! „Es ist Zeit, das Licht auszuknipsen, Funny Face.“
„Eine Geschichte noch. Eine von denen, die du dir immer ausdenkst.“ Sie gähnte erneut und genoss das wohlige Gefühl seines Baumwollhemds an ihrer Wange und den gewohnten Duft seines Aftershave.
Er gab nach, wissend, dass sie längst eingeschlafen sein würde, bevor er zum „Und wenn sie nicht gestorben sind …“ kam. Seine Geschichte rankte sich um eine wunderschöne, dunkelhaarige Prinzessin aus einem fremden Land und den Ritter, der sie aus ihrem Elfenbeinturm befreien wollte.
Während er noch einen Zauberer und einen Drachen mit zwei Köpfen hinzudichtete, kam er sich wie ein Trottel vor. Er wusste genau, wohin seine Gedanken abschweiften. Zu Natasha. Sie war wunderschön, kein Zweifel, aber er hatte noch nie eine Frau getroffen, die es so wenig wie sie nötig hatte, sich retten zu lassen.
Es war reines Pech, dass er auf seinem täglichen Weg zum Campus an ihrem Laden vorbeikam.
Er würde sie einfach ignorieren. Wenn überhaupt, dann würde er ihr gegenüber Dankbarkeit empfinden. Sie hatte dafür gesorgt, dass er Verlangenspürte, dass er Dinge in sich fühlte, die er schon nicht mehr für möglich gehalten hatte. Vielleicht würde er mehr unter Menschen gehen, jetzt wo Freddie und er sich hier heimisch fühlten. Im College gab es genügend attraktive Singles. Aber die Vorstellung, mit einer von ihnen auszugehen, erfreute ihn nicht. Eine Verabredung, das war etwas für Teenager, weckte Erinnerungen an Autokinos, Pizzas und feuchte Hände.
Er sah auf Freddies Hand hinunter, die zusammengeballt auf seinen ausgestreckten Fingern ruhte.
Was würdest du denken, wenn ich eine Frau zum Abendessen mit nach Hause bringe? Die lautlose Frage ließ ihn einmal mehr an ihre großen Augen denken – und an den verletzten Blick, mit denen sie ihren Eltern nachgesehen hatte, wenn er und Angela ins Theater oder in die Oper aufbrachen.
So wird es nie wieder sein, versprach er Freddie in Gedanken, als er ihren Kopf behutsam von seiner Brust hob und aufs Kissen legte. Die lächelnde Raggedy Ann erhielt ihren Stammplatz neben Freddie, bevor er die Decke bis zu ihrem Kinn hochzog. Mit der Hand auf dem Bettpfosten sah er sich im Zimmer um.
Es trug bereits Freddies Handschrift. Die Puppen thronten auf den Regalen, unter ihnen gestapelte Bilderbücher. Neben ihren Lieblingsschuhenlagen die eleganten pinkfarbenen Plüschpantoffeln. Das Kinderzimmer duftete nach der für seine Bewohnerin typischen Mischung aus Shampoo und Wachsmalstiften. Eine wie ein Einhorn geformte Nachtlampe sorgte dafür, dass sie nicht im Dunkeln aufwachte und sich fürchtete.
Er blieb noch einen Moment, stellte fest, dass das sanfte Licht ihn ebenso beruhigte wie sie. Leise ging er hinaus und ließ die Tür einen Spaltbreit auf.
Unten begegnete er Vera mit einem Tablett, auf dem Kaffee und eine Tasse standen. Die mexikanische Haushälterin war von den Schultern bis zu den Hüften breit gebaut und wirkte auf ihn wie ein kleiner kompakter Güterzug, wenn sie von Zimmer zu Zimmer eilte. Seit Freddies Geburt hatte sie sich nicht nur als hilfreich, sondern als geradezu unverzichtbar erwiesen. Spence wusste, dass man sich die Loyalität einer Angestellten mit einem Gehaltsscheck erkaufen konnte. Aber nicht die Liebe. Und genau die hatte Freddie von Vera bekommen, seit sie in ihrer seidenverzierten Babydecke aus der Klinik gekommen war.
Jetzt warf Vera einen Blick die Treppe hinauf. Ihr von den Jahren gezeichnetes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. „Das war ein großer Tag für sie, was?“
„Ja, und zwar einer, um dessen Dauer sie gekämpft hat, bis ihr die Augen zufielen. Sie hätten sich keine Umstände zu machen brauchen, Vera.“
Sie zuckte mit den Schultern und trug das Tablett in sein Arbeitszimmer. „Sie haben gesagt, Sie wollen heute Abend noch arbeiten.“
„Ja, eine Weile.“
„Ich stelle Ihnen den Kaffee hin. Dann lege ich die Beine hoch und sehe
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