Melodie der Liebe
ist.“ Freddie verschwieg Natasha, dass es in ihren Ohren ziemlich unfein klang.
„Ich habe leider keinen Borschtsch gemacht“,erwiderte Natasha mit ernster Miene, obwohl sie sich über Freddie amüsierte. „Ich habe stattdessen ein anderes traditionelles Gericht zubereitet. Spaghetti und Fleischklöße.“
Zu ihrer Überraschung herrschte eine vollkommen entspannte Atmosphäre. Sie aßen an dem alten Klapptisch am Fenster, und die Gesprächsthemen reichten von Freddies Kämpfen mit der Mathematik bis zur neapolitanischen Oper. Natasha musste nicht lange gebeten werden, von ihrer Familie zu erzählen. Freddie wollte ganz genau wissen, wie es war, eine ältere Schwester zu sein.
„Wir haben uns nicht oft gestritten“, erinnerte Natasha sich, während sie den Kaffee trank und Freddie auf ihrem Knie sitzen ließ. „Aber wenn wir es taten, war ich die Siegerin, weil ich die Älteste war. Und die Gemeinste.“
„Sie sind nicht gemein.“
„Wenn ich wütend bin, bin ich das manchmal.“ Sie sah zu Spence hinüber und dachte daran, dass sie ihm erklärt hatte, er verdiene Freddie nicht. „Hinterher tut es mir dann Leid.“
„Wenn Menschen sich streiten, bedeutet das nicht immer, dass sie sich nicht mögen“, murmelte Spence. Er gab sich alle Mühe, es nicht geradezu perfekt zu finden, wie Freddie sich in Natashas Schoß kuschelte.
Freddie war sich nicht sicher, ob sie das verstand, aber schließlich war sie erst fünf. Dann fielihr ein, dass sie ja bald sechs sein würde. „Ich habe bald Geburtstag.“
„Wirklich?“ Natasha sah angemessen beeindruckt aus. „Wann denn?“
„In zwei Wochen. Kommen Sie zu meiner Party?“
„Sehr gern.“ Natasha blickte Spence an, während Freddie all die tollen Sachen aufzählte, die es geben würde.
Vielleicht war es gefährlich, eine so enge Beziehung zu dem kleinen Mädchen aufzubauen. Denn das kleine Mädchen war die Tochter eines Mannes, der in Natasha Wünsche weckte, die sie in der Vergangenheit zurückgelassen hatte. Spence lächelte ihr zu.
Es ist gefährlich, beschloss sie, aber es ist auch unwiderstehlich.
6. KAPITEL
„W indpocken.“ Spence wiederholte das Wort. Er stand in der Tür und sah zu seiner schlafenden Tochter hinüber. „Da hast du ja ein tolles Geburtstagsgeschenk bekommen, meine Süße.“
In zwei Tagen würde sein kleines Mädchen sechs werden und, wenn der Doktor Recht behielt, ganz von dem juckenden Ausschlag bedeckt sein, der vorläufig noch auf Bauch und Brust begrenzt war.
Die Krankheit grassierte, hatte der Kinderarzt erklärt. Bei Kindern in dem Alter ganz normal. Der Mann hat leicht reden, dachte Spence. Es war ja nicht seine Tochter, die mit tränenden Augen und erhöhter Temperatur im Bett lag.
Nina hatte ihm vorwurfsvoll erklärt, dass Freddie sich die Windpocken geholt habe, weil sie auf eine öffentliche Schule ging. Das war natürlich Unsinn. Dennoch fühlte er sich irgendwie schuldig, als er das vom Fieber gerötete Gesicht Freddies sah und ihr leises Stöhnen hörte.
Er hatte Nina gerade noch davon abhalten können, mit der nächsten Maschine zu ihnen zu kommen. Jetzt bereute er es schon fast. Er wünschte sich, jemanden zu haben, der ihm in dieser Situation beistand. Der nicht das Kommando übernahm oder ihm das Gefühl gab, ein Rabenvater zu sein.
Der einfach nur da war. Der verstand, was im Vater eines kranken oder traurigen Kindes vorging. Jemand, mit dem er mitten in der Nacht reden konnte, wenn die Sorgen ihn nicht schlafen ließen.
Als er sich diese Person ausmalte, dachte er an keine andere als Natasha.
Er kühlte Freddie die Stirn mit dem feuchten Tuch, das Vera ihm gebracht hatte. Sie schlug die Augen auf.
„Daddy?“
„Ja, Funny Face. Ich bin bei dir.“
Ihre Unterlippe zitterte. „Ich habe Durst.“
„Ich hole dir etwas Kaltes.“
Krank oder nicht, Freddie war raffiniert. „Kann ich Kool-Aid haben?“
Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Sicher. Welche Sorte?“
„Die blaue Sorte.“
„Die blaue Sorte.“ Er gab ihr noch einen Kuss. „Ich bin gleich wieder zurück.“ Er war halb die Treppe hinunter, als gleichzeitig das Telefon läutete und jemand an die Haustür klopfte. „Vera, gehen Sie an den Apparat, ja?“ rief er und riss ungeduldig die Tür auf.
Das Lächeln, das Natasha den ganzen Abend lang geübt hatte, verging ihr. „Tut mir Leid. Ich komme wohl zu einer ungünstigen Zeit.“
„Ja.“ Aber er zog sie ins Haus. „Augenblick. Vera … Na endlich“, fügte er
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