Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Eifer hergerichtet haben wie Fleurette ihre Herrin, die junge Frau auf dem Schimmel sah aus wie eine Fee, die eben dem letzten Artusroman entstiegen war. Sabine trug ein brokatenes Obergewand über einem Seidenkleid mit langen, weiten Ärmeln. Alles war freigebig mit Edelsteinen bestickt, und an Sabines Hals prangte einen Kette aus reinweißen Perlen. Mit Perlen war auch ihr sonst offenes Haar geschmückt, das in leuchtenden Wellen über ihre Schulter und ihren Rücken fiel. Selbst das Zaumzeug des Pferdes war mit weißen Schleifen verhängt, Jean Pierre und die Herzogin hatten sich selbst übertroffen.
Neben Sabine lenkte jetzt Florimond sein Pferd, ebenfalls einen Schimmel. Wäre der Anlass nicht so ernst gewesen, hätte Sabine fast lachen müssen. Dieses Pferd hatte einst in den Ställen ihres Gatten Jules gestanden. Er hatte es mit an den Hof gebracht und dem Herzog zum Geschenk gemacht, und auch in dessen Marstall stach der Schimmelhengst durch sein Feuer und seine Rittigkeit hervor. Ob die Herzogin ihn absichtlich ausgewählt hatte oder nur aufgrund seiner Farbe? Sabine konnte sich Letzteres kaum vorstellen. Catherine d’Aquitaine stand seit Jahrzehnten Turnieren vor. Sie verstand etwas von Pferden.
Florimond trug seine Rüstung und die gewohnten Farben auf seinem Schild – einen blauen Querbalken, der ein Feld mit einem Schwert, eines mit einer Laute trennte. An seiner Lanze hing als Zeichen des Kämpfers für die Unschuld ein weißes Tuch, ansonsten wirkte er nicht viel anders als gewöhnlich, wenn er ins Turnier zog. Nur der Gesichtsausdruck war entschlossener, ernster und härter.
Sabine fürchtete sich ein wenig davor, ihre Beschuldigungen laut vor dem gesamten Hof aussprechen zu müssen, um François de Caresse förmlich zu fordern. Aber die Herzogin hatte hier schon Vorarbeit geleistet. Sie stand zur Rechten des Herzogs, zu seiner Linken hielten sich Jules und François de Caresse auf, Letzterer etwas blass. Auf eine weitere Duellforderung am heutigen Tag war der Ritter nicht vorbereitet gewesen. Der Kampf gegen Philippe hatte seine letzten Kräfte gefordert, er war ausgelaugt und erschöpft.
»Sabine de Caresse, was fordert Ihr?«
Die Herzogin rief ihre Worte laut und für alle vernehmbar über den Turnierplatz, auf dem sich immer noch die Sieger des Buhurts von ihrem Kampf erholten.
Sabine straffte sich und rief mit der geschulten Stimme der Parfaite ihre Antwort in die Runde.
»Genugtuung! Ich klage François de Caresse an, mich mit der Absicht, mich zu schänden, angegriffen und bedroht zu haben.«
»Dafür gibt es keine Zeugen!«, rief François mit scharfer Stimme und blickte etwas hilflos zum Herzog hinüber.
»Deshalb bitte ich auch um ein Gottesurteil«, erklärte Sabine gelassen. »Florimond d’Aragis hat sich bereit erklärt, es für mich auszufechten.«
Florimond ließ sein Pferd einen Schritt vortreten und warf Caresse den Fehdehandschuh vor die Füße.
Der hob ihn langsam auf.
»Mein Herzog, Ritter, meine Damen! Ich will gern unter Waffen für meine Ehre eintreten«, erklärte er. »Aber lasst uns die Begegnung auf morgen verschieben. Ich habe bereits drei Kämpfe bestritten.«
»Habt Ihr mich gefragt, ob es mir genehm war, als Ihr mich besitzen wolltet?«, fragte Sabine mit schneidender Stimme.
Die Herzogin gebot ihr mit leichter Handbewegung Schweigen. Dies durfte nicht in einen verbalen Schlagaustausch ausarten. Mit sanftem Lächeln wandte sie sich an den Ritter.
»Aber Monsieur de Caresse! Bestreitet Ihr, dass Gott fähig ist, Euch die nötige Stärke zu verleihen? Wenn Ihr wahrhaftig wart bei der Befragung durch meinen Gatten und das Recht auf Eurer Seite ist, so kann Euch nichts geschehen. Das ist doch so, nicht wahr, mon Père?« Sie wandte sich an den Hofkaplan, dem die Sache sichtlich nicht geheuer war. Allerdings konnte er auch kaum leugnen, dass Gott auf Seiten der Wahrhaftigen stünde und seine Allmacht zu ihren Gunsten in die Waagschale sänken könnte. Außerdem applaudierte der Herzogin bereits die gesamte Ritterschaft. Die Männer waren alle dafür, den Kampf gleich durchzuführen, wollten die Fahrenden unter ihnen doch morgen schon in aller Frühe aufbrechen. Der Kaplan nickte also halbherzig.
»Ihr seht es, Monsieur de Caresse«, beschied die Herzogin den Ritter. »Also geht nun, legt Eure Rüstung an und kehrt zurück. Gott wird Euch leiten!«
Catherine zwinkerte Sabine zu. Sabine fragte sich, ob diese Frau überhaupt an irgendetwas glaubte, außer an
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