Melodie der Sehnsucht (German Edition)
kämpfte seine Schwäche nieder, straffte sich und trat mit fast sicheren Bewegungen vor den Herzog.
Er nahm dessen anerkennendes Nicken allerdings kaum wahr, ebenso wenig die huldvollen Worte der Herzogin. Seine Augen suchten nur Sabine, ihren entsetzten, von Angst und Mitleid umflorten Blick. Florimond musste sich zwingen, sich nicht auf das Geländer der Tribüne zu stützen. Und er durfte hier auf keinen Fall zusammenbrechen.
»Marquise«, sagte er langsam. »Meine Dame ... konnte ich Euren Ansprüchen gerecht werden?«
»Mehr als gerecht.« Sabine stand auf und trat vor. Sie wusste nicht, ob es schicklich war, aber sie konnte nicht anders, und ganz gegen die Etikette konnte es auch nicht sein, denn die Herzogin steckte ihr schnell eine schwere Goldkette zu, als sie an ihr vorbeiging.
Florimond senkte den Kopf vor seiner Minneherrin, und Sabine hing ihm die Kette um den Hals. Sie versuchte zu erspähen, wie schwer seine Verletzung war, aber die Rüstung verwehrte ihr den Blick darauf. Immerhin hatte es aufgehört zu bluten, ein überlebenswichtiges Gefäß konnte also nicht getroffen sein. Ein Blick in Florimonds Gesicht ließ sie dagegen Böses ahnen. Der Ritter war vom Kampf erhitzt, aber sein Gesicht wirkte jetzt schon eingefallen, und der Schweiß darauf war frisch. Florimond kämpfte mit Schwäche und Schmerz und er durfte diesen Kampf hier nicht verlieren! Sabine zog seinen Kopf zu sich hinunter. Sie zitterte, als sie in sein schweißnasses Haar fasste und seine blassen Wangen streifte.
»Dem Sieger gebührt ein Kuss seiner Dame.« Sabine wusste nicht, ob sie die Worte nur selbst flüsterte, oder ob die Herzogin damit gleichzeitig ihr Tun gut hieß. Aber sie hielt sein Gesicht zwischen ihren Händen und drückte die Lippen zärtlich auf seine Stirn. Sie wagte nicht, ihn auf den Mund zu küssen, aber auch diese vorsichtige Liebkosung schien Florimond Kraft zu geben.
Noch einmal verbeugte sich der Ritter vor den Herrschaften. Dann wandte er sich um, und fand sich überraschend Jean Pierre gegenüber, der sein Pferd hielt. Mit letzter Kraft schwang Florimond sich in den Sattel. Er wusste nicht, ob er den Weg zu den Ställen zu Fuß geschafft hätte. Aber so konnte er sich aufrecht entfernen. Erst als er die Kampfbahn hinter sich gelassen hatte, sank er im Sattel zusammen. Jean Pierre, der das vorausgesehen hatte, nahm die Zügel und führte den Schimmel zur Unterkunft der Ritter. Mit Hilfe einiger Knappen trug er den Verletzten auf sein Lager.
Achtzehntes Kapitel
Sabine hätte triumphieren müssen, aber stattdessen verging sie fast vor Angst. Sie wusste auch nicht recht, was sie jetzt mit sich anfangen sollte – gewöhnlich hätte es ein Bankett zur Feier der Turniersieger gegeben – oder selbst zur Feier des Gottesurteils, wenn der Unterlegene nur nicht gerade der Sohn des Ersten Ritters des Hofes gewesen wäre. Dazu musste auch der Herzog gesehen haben, dass der Sieger kaum in der Lage sein würde, heute Abend an seiner Seite zu trinken – wer wusste, ob dieses Duell nicht womöglich noch ein zweites Opfer forderte, bevor der nächste Tag anbrach.
Der Hofkaplan tat schließlich das einzig Richtige und rief zu einer Messe auf, in deren Rahmen des Toten gedacht und Gott für sein zweifellos gerechtes Urteil gepriesen wurde. Gleichzeitig empfahl man ihm die Seele François’ de Caresse, der zwar sicher ein Sünder gewesen war, aber auch ein bemerkenswerter Ritter. Sabine ärgerte sich maßlos, als der Hofkaplan es letztlich so darstellte, als wäre hier ein sonst tugendhafter Mann über die Fallstricke Evas gestolpert. Dabei warf er ihr argwöhnische Blicke zu.
Am liebsten hätte sie dem Priester gleich den nächsten Rächer auf den Hals gehetzt, aber natürlich hielt sie still und stand bleich und ausdruckslos neben ihrem Gatten. Jules de Caresse hatte kein Wort mit ihr gesprochen, seit sie Florimond geküsst hatte, aber sie spürte blanken Hass, wenn er sie nur ansah. Ob er dafür wieder in ihrem Bett Genugtuung fordern würde? Oder hatte sie ihm eine zu tiefe Wunde geschlagen, indem sie letztlich für den Tod seines Sohnes verantwortlich war? Wieder haderte Sabine mit ihrer mangelnden Kenntnis der Höfischen Sitten. Sie hätte dem Gottesurteil nie zugestimmt, hätte sie gewusst, dass es für einen der Kombatanten tödlich enden musste.
Schließlich konnte sie sich in ihre Räume zurückziehen, schlotterte aber schon auf dem Weg dahin vor Angst, Jules könnte sie später aufsuchen und zur
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