Melodie der Sehnsucht (German Edition)
François. »Du schuldest mir auch noch eine Revanche für das Turnier auf Caresse.«
»Wollt Ihr schon wieder mehr reden als fechten?«, fragte Florimond gelassen und parierte seinen ersten Schlag. »Ihr vergesst immer wieder, dass Ihr es mit einem Ritter zu tun habt, statt mit einem Waschweib.« Elegant führte er das Schwert in einem Bogen, um die Parade des Gegners zu unterlaufen.
François wehrte den Angriff ab.
»Dabei seid Ihr es doch sonst, der schöne Worte zu winden weiß«, versuchte er weiter abzulenken.
Florimond wandte seine Aufmerksamkeit aber keine Sekunde ab.
»Es gibt eine Zeit zu singen und eine Zeit zu kämpfen«, bemerkte er und schwang sein Schwert jetzt mit fast beängstigender Schnelligkeit. Sabine konnte seinen Bewegungen mit den Augen kaum folgen, und François fand ganz sicher keine Zeit mehr, irgendwelche Worte einzuwerfen. Es war offensichtlich, dass er sich im Abwehrkampf befand, er kam kaum dazu, die Angriffe mit dem Schwert zurückzuschlagen, sondern verschanzte sich nur noch hinter seinem Schild.
Sabine frohlockte allerdings noch nicht, sie wusste inzwischen, dass dies eine Technik war, den Gegner müde zu machen. Diesmal funktionierte sie jedoch nicht. Florimond schien mit übermenschlicher Kraft zu kämpfen, seine aufgestaute Wut auf den Gegner brach sich Bahn, und er nutzte die Technik seinerseits – indem er den Winkel der Angriffe immer wieder veränderte und mal höher, mal tiefer zuschlug, zwang er François, den schweren Schild ständig vor seinem Körper zu bewegen, um sich zu schützen. Das war beinahe so kraftraubend wie die Gegenschläge mit der Waffe, weshalb François die Strategie denn auch bald aufgab und wieder zu fechten begann. Er führte das Schwert mit immer noch starker Hand, aber ihm fehlte Florimonds Feuer. Troubadoure kündeten in ihren Liedern später, es habe tatsächlich eine höhere Macht die Schwerthand des Ritters geführt – und das trotz der Verletzung vom Vormittag. Die merkte Florimond allerdings gar nicht mehr. Die Aufregung des Kampfes ließ ihn den Schmerz vergessen.
Was den Schlagabtausch letztlich beendete, war dann ein Missgeschick, sicher begünstigt durch François’ Ermüdung. Der Ritter stolperte bei einem Ausfallschritt und fiel auf den Rücken, was Florimond die Möglichkeit gab, seinen Schild zur Seite zu stoßen und das Schwert auf den Hals des Gegners zu richten. Der Spalt zwischen Helm und Kettenhemd ermöglichte hier leichtes Eindringen.
»Gebt Ihr auf, Monsieur de Caresse?« Florimond atmete schwer, er wünschte sich nichts mehr, als zuzustechen und Sabines Peiniger vor seine himmlischen Richter zu senden. Das wäre jedoch nicht ritterlich gewesen. Er musste ihm die Chance geben, sich zu ergeben. Damit wäre François immerhin gesellschaftlich schwer angeschlagen. Ein in Ehrenhändeln unterlegener Ritter wurde wie ein Kirchen- und Frauenschänder geächtet.
François machte eine ungeschickte Bewegung mit der linken Hand, fast als wolle er seinen Helm lösen. Ermüdet wie er war, bekam er sicher kaum Luft unter dem geschlossenen Visier – Florimond zog sein Schwert leicht zurück. Eine Schwäche, auf die François gewartet hatte.
»So lang lebe ich nicht!« brüllte er dem Ritter entgegen, ergriff Florimonds Schwerthand mit seiner Linken und lenkte dessen Stoß ab, während er selbst seine Waffe in den Spalt zwischen Florimonds Kettenhemd und seiner Armschiene bohrte.
Florimond taumelte zurück, aus seiner Wunde schoss Blut, seine Schwerthand war sicher nicht mehr zu gebrauchen. François glaubte Zeit zu haben, sich aufzurichten, aber das Schwert war Florimonds rechter Hand noch nicht entglitten. Obwohl sein Arm schlaff herabhing, hielt er es fest, bis er mit der linken danach greifen konnte. Und zur Überraschung seines Gegners wusste er die Waffe auch damit zu führen. Mit einer fließenden Bewegung schlug er dem verblüfften De Caresse das Schwert aus der Hand und führte gleich darauf einen raschen Stoß. Auch er traf zwischen Armschiene und Kettenhemd, aber weitaus gezielter als François. Florimonds Schwert durchbohrte das Herz des Gegners. François stand noch wenige Augenblicke aufrecht wie erstarrt. François de Caresse war schon tot, als er zu Boden fiel.
Florimond hörte die Jubelrufe der Ritter nur wie durch einen Nebel. Es wandte sich schwankend zu den Tribünen um, spürte dann zu seiner Erleichterung, wie einer der Herolde seinen Helm löste.
Haltung – ein Ritter bewahrt Haltung – Florimond
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