Melodie der Sehnsucht (German Edition)
direkt zurück in die Kapelle gegangen und hatte an der Seite ihres Gatten den letzten Totenmessen beigewohnt. Der Zug Jules de Caresses war dann aufgebrochen, während der Andacht war François in einen eisernen Sarg gelegt und damit auf einen Wagen gebracht worden. Mit Trauerflor und den Farben des Ritters verhängt, bewegte sich das Gefährt nun langsam Richtung Süden, begleitet von dem trauernden Vater und einigen treuen Rittern als Eskorte. Schon diese Reise konnte Wochen dauern, dazu würden auf Caresse noch Dutzende weitere Messen gelesen und Trauerfeiern abgehalten werden. Mit Jules de Caresse war in den nächsten Monaten am Hof des Herzogs nicht zu rechnen. Sabine fühlte sich unendlich erleichtert, als sie ihn mit einem förmlichen Kuss auf die Wange verabschiedete. Ihre Begleitung hatte er nicht angemahnt.
Sabine atmete auf und fühlte sich noch freier, als dann auch Philippe vorerst vom Hof verbannt wurde. Blieben noch die Vorwürfe der Barbe de Richemonde. Aber auch das schien im Sande zu verlaufen. Sabine fürchtete sich während der Morgenmesse zu Tode, aber der Hofkaplan sprach sie auch anschließend nicht an, Barbe hatte ihm ihre Anschuldigungen also nicht vorgetragen.
Fleurette erfuhr später von ihrer neuen Freundin Suzanne, dass die Herzogin auch die junge Hofdame noch einmal zu einer Privataudienz gerufen und offensichtlich gründlich zusammengestaucht hatte. Barbe hielt sich in der nächsten Zeit ausdrücklich fern von Sabine und Florimond.
In ausreichendem Abstand schmiedete sie allerdings neue Pläne. Jules de Caresse war jetzt sicherlich mehr als bereit, seine Gattin zu verstoßen. Er brauchte eine willige, junge Gefährtin – die ihm auch weitere Kinder schenken konnte. Dazu wäre Sabine zwar auch in der Lage gewesen, aber eine ehemalige Ketzerin als Mutter des Erben von Caresse wäre unpassend. Jules würde das ebenso sehen, dazu machte er Sabine sicher für François’ Tod verantwortlich. Was nun also noch fehlte, war lediglich der Anlass, sich von seiner Gattin zu trennen – und Barbe machte sich keinerlei Illusionen: Florimond kam hier nicht in Frage. Zwar wusste inzwischen der gesamte Minnehof von der Liebe zwischen dem Troubadour und der schönen Katharerin. Philippes Ausbruch würde sich zweifellos herumsprechen, woraufhin sich die Sänger in Balladen über die Bekehrung einer Ketzerin durch die Liebe gegenseitig überbieten würden. Aber gerade wenn eine Liebe Legende wurde, hielt sich der Ehemann auf Minnehöfen besser zurück. Florimond und Sabine standen unter dem Schutz der Herzogin. Barbe riskierte ihre eigene Verbannung vom Hof, wenn sie weiter Ränke spann.
Aber Philippes Vorwürfe hatten ihr ganz neue Wege aufgetan – und sehr viel direktere zu ihrem Ziel als alle bisherigen Pläne. Wenn Sabine als Ketzerin entlarvt würde, brauchte Jules sie gar nicht zu verstoßen. Dann löste die Kirche die Verbindung – indem sie die Angelegenheit buchstäblich in Rauch aufgehen ließ. Barbe lachte bei diesem Wortspiel. Wenn sich herausstellte, dass Sabine ihre Bekehrung nur geheuchelt hatte, wenn sie tatsächlich noch dem Glauben der Katharer anhing, dann würde sie brennen.
Barbe musste das nur arrangieren. Aber auf die Dauer würde ihr sicher etwas einfallen.
Zwanzigstes Kapitel
Die Wochen nach Jules’ und Philippes Rückzug vom Hofe waren die glücklichsten, die Sabine jemals erlebt hatte. Florimond hatte die Krise überlebt und erholte sich nun langsam von seiner Verletzung. Sabine pflegte ihn in den Räumen der Herzogin, und in den ersten Tagen war er hilflos wie ein Kind, ganz ihrer Hingabe und Zärtlichkeit ausgeliefert. Sie wusch ihn und verband ihn, aber sie überschüttete ihn auch mit Küssen und Liebkosungen, las ihm vor und fütterte ihn mit allen Köstlichkeiten, die Küche und Keller der Herzogin hergaben. Um seine Lebensgeister zu wecken, holte sie Rosmarin aus dem Garten und berauschte sich mit ihm an seinem Duft, der für sie immer mit jenem ersten Treffen auf der verzauberten Insel verbunden sein würde. Sie streichelte ihn mit den Rispen und freute sich, wenn sein Körper wieder erste Regungen zeigte. Jeder kleinste Fortschritt in der Gesundung des Ritters war für Sabine Grund zu überschäumender Freude, und sie weinte vor Glück, als er sich endlich wieder im Bett aufsetzen und sie mit seinem linken Arm ungelenk an sich ziehen konnte.
Schließlich verließ der Ritter die Kemenate der Herzogin und bezog eigene Räume auf dem Minnehof. Natürlich nicht
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