Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Sabine. Es tut mir unendlich leid.«
Drittes Kapitel
Sabine kämpfte nun doch mit den Tränen, als sie die Treppe zu ihren Gemächern hinaufwankte. Vorhin noch war sie so voller Hoffnung gewesen. Und nun war alles ausgelöscht mit einem Federstrich. Der Ehevertrag, so hatte ihr Vater ihr eröffnet, werde bereits schriftlich niedergelegt, De Caresse habe seinen Schreiber mitgebracht, und für die Clairevaux’ assistierte Père Lacroix bei der Abfassung. Sabine selbst hatte keinerlei Mitspracherecht. Sie würde Caresse heiraten, ob er ihr gefiel oder nicht, und den Ehevertrag würde man ihr nicht einmal vorlegen. Die wenigsten Mädchen aus ihren Kreisen konnten lesen – und die hohe Bildung der angehenden-Parfaite Sabine pflegte Père Lacroix zu ignorieren.
»Nun malt doch nicht alles so schwarz, Comtesse!« Fleurette hatte tatsächlich begierig auf Sabine gewartet und war völlig bestürzt, als sie ihre junge Herrin nicht frohlockend, sondern bleich und weinend in ihre Räume treten sah. Sollte sie sich so in Philippe geirrt haben? Fleurette hätte jeden Eid darauf geschworen, dass der Ritter Sabines seltsamem Heiratsantrag zustimmen würde. Vielleicht ein bisschen zähneknirschend, weil die Idee der Josefsehe seinen eigenen Vorstellungen sicher zuwiderlief, aber doch willig. Philippe war ihrer Herrin ergeben, da gab es für die Zofe keinen Zweifel. Aber nun das. Statt der Ehe mit dem jungen Ritter die Verbindung mit einem alten königstreuen Marquis! Fleurette war von der Nachricht ebenso niedergeschmettert wie Sabine, wenn auch aus anderen Gründen. Die kleine Zofe wünschte ihrer Herrin von Herzen, die Liebe zu erleben und ihr Glück in den Armen eines Mannes zu finden. Im Bett eines alten Lüstlings würde die scheue Sabine aber kaum Freude an der körperlichen Liebe entwickeln. Ihre hoffnungslose Hingabe an ihren Glauben würde niemals dem Glück weichen, einem guten Mann eine zärtliche Gattin zu sein, Kinder aufzuziehen und einem fröhlichen Haushalt vorzustehen. Stattdessen jetzt eine Hofhaltung mit starren Regeln, ein strenger Herr. Fleurette musste sich zwingen, Sabine zuversichtlich zuzureden.
»Nur, weil er alt ist, muss er nicht verknöchert und langweilig sein. Denkt nur an den alten Ritter Gilbert, der vor Montségur fiel! Noch in der Nacht vor der Schlacht hat er drei Küchenmädchen glücklich gemacht. Sie haben es mir selbst erzählt, als ich sie nach der Schlacht in der Speisekammer traf, in Tränen aufgelöst. Und lustig war er auch, habt Ihr nicht selbst über seine Späße gelacht? Sogar die Herrin Henriette hat er aufgezogen und sie hat es sich gefallen lassen! Soviel Charme hatte er. Vielleicht ist Marquis de Caresse ja auch so ein guter Kerl!«
Sabine hörte kaum auf ihr tröstliches Geplapper. Sie spürte nach wie vor eine Eiseskälte in sich, die wenigen Tränen hatten ihre Starre nicht lösen können. Ohne weitere Regungen zu zeigen, ließ sie zu, dass Fleurette sie auskleidete, ihr Wasser zur notdürftigen Reinigung brachte und ihr dann in ein Festkleid half. Das Unterkleid war aus heller blauer Seide, der Überwurf darüber mitternachtsblau. Ein passender hellblauer Schleier wurde mit Perlen in Sabines Haar befestigt, das offen über ihre Schultern fiel. Seidig und glatt reichte diese Zierde fast bis zu ihren Hüften herab. Sabine fühlte sich oft dadurch gestört und flocht die Strähnen zu Zöpfen oder steckte sie locker auf. Heute wurde aber die traditionelle Frisur des noch unverheirateten Mädchens gewünscht: Offenes, leuchtendes Haar als schönster Schmuck der Jungfrau.
»Ihr seht wunderschön aus, Comtesse!«, meinte Fleurette aufmunternd. »Wie schade, dass Monsieur Philippe Euch nicht so sehen wird.«
Sabine wandte sich ihr mit kaltem Gesichtsausdruck zu.
»Er wird mich sehen«, sagte sie gefasst. »Ich bin sicher, dass die Montcours’ zum Festmahl geladen sind. Aber was macht das für einen Unterschied, Fleurette? Zwischen mir und Philippe gab es nichts als eine Vereinbarung – die jetzt durch das Wort meines Vaters hinfällig wurde. Ein Unglück für mich, ein Glück für Philippe. Er wird damit wieder frei. Er kann ein anderes Mädchen finden und eine Familie gründen.«
Fleurette antwortete nicht, aber als Sabine wegsah, verdrehte sie unwillig die Augen. ›Wenn er dich so liebt, wie ich glaube, wird er sich wünschen, deinen Marquis de Caresse zu töten‹, dachte die kleine Zofe. ›Und wer weiß, vielleicht tut er es sogar.‹
Während Sabine langsam und
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