Melodie der Sehnsucht (German Edition)
nachzufahren und verweilten schließlich auf der zarten Haut in der Beugung ihres Ellenbogens. Philippe ertastete ihren flatternden Puls, und streifte die durchscheinend weiße Haut über ihren Adern schließlich mit den Lippen. Sabine zog entsetzt den Arm weg.
»Philippe, wie kannst du es wagen! Du weißt ...«
»Was weiß ich?« Philippe hielt ihre Hand fest und lächelte ihr zu. »Sabine, du hängst doch nicht immer noch alten Träumen nach. Himmel, du bist eine verheiratete Frau. Kein Kind mehr, das von Keuschheit schwärmt, als wäre das der Weg zur Himmlischen Seligkeit!«
»Aber das war mein Leben! Das habe ich ersehnt und dazu wurde ich erzogen. Ich bin keine andere geworden, nur weil ich ein paar Mal das Bett mit einem alten Lüstling teilen musste.« Sabine blitzte ihn an. Und erinnerte sich plötzlich an die Worte Florimonds: »Im Herzen bist du noch rein und unberührt ...« Der Gedanke an den Sänger wärmte sie.
»Hast du je daran gedacht, dass du gar keine ›Parfaite‹ werden musstest, Sabine?«, fragte Philippe mit schmeichelnder Stimme. »Tatsächlich bist du längst perfekt, du wurdest für die Liebe geboren! Dein Körper, deine Augen, dein Haar, ich habe niemals so leuchtendes Haar gesehen, wie kann es derart glänzen, obwohl es doch tiefdunkel ist? Ein Strom von Diamanten in der Nacht. Und du bist leidenschaftlich! So wie du deiner vermeintlichen Berufung ergeben warst, so könntest du dich auch in der Liebe verlieren.«
Philippe griff nach einer Strähne ihres schwarzen Haares und führte sie ehrfurchtsvoll an die Lippen.
»Hör auf, Philippe!« Sabine entzog ihm streng ihre Locke und ihre Hand. »Du weißt nicht, was du sagst. Du vergisst, wer du bist. Hast du denn alles aufgegeben? Deine Freunde, deine Eltern, deinen Glauben? Wo bleibt deine Loyalität zu Montségur, Philippe?«
Philippe straffte sich, machte aber nach wie vor keine Anstalten, sich zu erheben. »Ich diene heute der Herzogin, Sabine, ihr gehört meine Treue. Und bei ihr habe ich gelernt, Frau Venus anzubeten. Die Liebe, Sabine! Die Liebe ist mehr, als die Parfaits uns gepredigt haben. Du weißt es noch nicht, aber sie ist ein göttlicher Strom, auf dem deine Seele aufgeht in dem Menschen, den du liebst. Ein Strom, der zu himmlischen Gefilden führt, gesegnet von allen Göttern. Für mich bist du der Mensch, mit dem ich ihn erforschen will. Du bist es immer gewesen, Sabine! Komm, lass mich dich zu den Ufern dieses Stromes führen! Folg mir, vergiss deinen kindlichen Stolz«
Sabine saß wie erstarrt, während Philippes Hand leicht wie ein Windhauch ihre Schläfe streichelte, über die vollkommene Linie ihrer Wange zu ihrem Mund wanderte, ihre Lippen liebkoste und versuchte, ihre angespannten Züge durch sanfte Berührungen zu lockern. Tatsächlich erschauerte sie, als er sich schließlich herunter zu ihrem Hals tastete, die pulsierenden Adern erspürte, der zarten Schwingung ihrer Kehle folgte und mit federleichten Bewegungen ihren Ausschnitt erforschte. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Und sie fühlte keinen Abscheu wie bei François. Sabine empfand keinen Widerwillen gegen die Ahnung von Verlangen, die sich in ihr regte und das warme Gefühl, das sich langsam in ihrem Körper ausbreitete und schließlich in ihrer Scham konzentrierte. Sie hatte keine Angst vor Philippe. Aber andererseits empfand sie auch keine Liebe.
Nicht dieses gewaltige, alles übertrumpfende Gefühl, von dem Florimond gesungen hatte, das den Himmel erbeben und Königreiche fallen ließ. Das einen Ritter davon schwärmen ließ, für seine Minneherrin zu sterben – während die Dame bereit gewesen wäre, alles, wirklich alles zu tun, um sein Leben zu retten. Nein, das, was Sabine hier fühlte, war weit entfernt von der Ekstase wahrer Liebe, in der sich Körper und Geist vereinigten, um über die Wirklichkeit hinauszuwachsen. Der Weg zu dieser anderen Vollkommenheit mochte über jenen Strom führen, aber Sabine würde nicht mit Philippe dorthin stolpern wie eine läufige Hündin!
Entschlossen riss sie sich los. Sie wollte, dass Philippe sie allein ließ, und in ihrem hilflosen Schrecken wählte sie harte Worte, um ihn abzuwehren:
»Lass mich, Philippe! Du versündigst dich. Im Sinne der alten wie der neuen Religion. Ich bin nicht nur eine Parfaite, ich bin auch eine verheiratete Frau. Verlass mich jetzt, oder ich werde meinem Gatten erzählen, dass du mich belästigst! Er verdächtigt dich jetzt schon, ein Wort von mir, und er
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