Melodie der Sehnsucht (German Edition)
sicher wusste jeder Gärtner, wo er sich befand. Den Blicken der schöngeistigen Damen und Herren des Minnehofes war er jedoch durch hohe Hecken und Bäume verborgen. Hierher verlief sich bestimmt kein liebestrunkenes Pärchen. Philippe breitete seinen Mantel auf dem Brunnenrand aus und lud Sabine zum Sitzen ein.
»Ach, Sabine, ich wollte dich ja holen«, beantwortete er schließlich ihre Frage, nachdem sie Platz genommen hatte – züchtig weit von ihm entfernt. »Aber dann sandte mich mein Vater nach Norden, um die Asche der Parfaite Hen riette heimzuholen.«
»Das durfte kaum mehr als eine Woche in Anspruch genommen haben«, bemerkte Sabine.
Philippe seufzte. »Das dachte ich auch. Aber dann stellte der Pfaffe in diesem Küstennest Forderungen. Wir sollten eine ›Spende‹ leisten, um für die Sünden der Ketzerin zu sühnen, und überhaupt müssten wir für die Kosten der Hinrichtung aufkommen. Das Holz für den Scheiterhaufen, den Henker und die geistliche Begleitung. Das Ganze belief sich auf einen Betrag, der dem Wert eines gesamten Waldstücks entsprach. Mit dem Holz hätte man ganz Montségur in Flammen setzen können! Ich versuchte also zu verhandeln – und das alles zog sich endlos hin. Dazu hatte es verheeren de Folgen. Wir mussten die gesamte Ernte von Montcours verpfänden, um das Geld aufzubringen.«
Sabine sah ihn verständnislos an. »Die Parfaite Henriette hätte das nicht gewollt«, erklärte sie. »Der irdische Körper war ihr nicht wichtig.«
»Aber meinem Vater war es wichtig!«, fuhr Philippe sie an. »Schon um das Gesicht zu wahren, schließlich hatten wir dem ketzerischen Glauben gerade abgeschworen.«
»Also gut«, bemerkte Sabine, ohne näher darauf einzugehen. »Aber was treibt dich nun hierher? Und wer ist ›Philippe d’Ariège‹? Verleugnest du Montségur, Philippe? Du hast dort tapfer gekämpft, niemand wird dich deshalb schief ansehen.«
Phlippe sah sie trotzig an. »Philippe d’Ariège ist ein Ritter der Herzogin«, erklärte er. »Sie hat mich erhoben, an ihrem Hof zu dienern, nachdem ich als fahrender Ritter hierher kam. Und es ist der Name, unter dem ich Turniere bestritt.«
»Und warum ziehst du um eines Preisgeldes wegen in den Kampf?«, examinierte Sabine weiter. »Wir Katharer haben den Kampf um den Kampfes willen immer abgelehnt. Es sterben zu viele Ritter sinnlos um der Ehre willen!«
»Solche Überzeugungen muss man sich leisten können«, bemerkte Philippe. »Und was mich angeht, so kann ich es nicht mehr, selbst wenn ich wollte. Aber die Ernte fiel schlecht aus, sie deckte unsere Schulden nicht, wir mussten das Gut beleihen. Und du weißt, was das heißt – noch ein schlechtes Jahr, und alles ist verloren. Also zog ich aus um Ruhm und Ehre zu gewinnen – wie es offiziell heißt. Tatsächlich füllte ich unsere Schatzkammern mit Preisgeldern. Der Kampf um Montségur hat mich auf jeden Ritter vorbereitet, der mich fordert!«
»Und deine Seele?«, fragte Sabine verzweifelt. »Versteh mich richtig, ich fürchte nicht nur um die deine, auch ich musste vieles tun, was nicht mit dem vereinbar ist, was ich mir ersehnt habe. Aber vom Parfait der Katharer zum Fahrenden Ritter ...«
Philippe warf verärgert den Kopf zurück. »Sabine, ich war nie zum Geistlichen geschaffen, auch wenn Tante Henriette sich das wünschte. Du weißt, dass ich die Ausbildung gar nicht erst begonnen habe. Und das Leben hier ... Wenn du’s wissen willst, Sabine, mir geht es hier besser, als es mir je gegangen ist!« Philippe sah sie herausfordernd an, sprach aber weiter, bevor sie etwas erwidern konnte. »Dies hier gefällt mir, Sabine.« Der junge Ritter umfing den Lustgarten mit einer Handbewegung und legte den Arm dann erneut um Sabines Schultern, wobei er sie mit sanfter Gewalt festhielt.
»Und dir wird es auch gefallen, Sabine«, erklärte er. Seine Finger spielten mit dem Cape über ihrer Schulter und ließen es langsam hinabgleiten. »Glaub’s mir, du musst nur aufhören, das alles mit den Augen der Parfaite Henriette zu sehen. Hier geht es nicht um Gelehrsamkeit und Tugend – auch wenn die Herzogin das vorschiebt. Hier geht es um Vergnügen, Zerstreuungen, um Leben, Sabine! Du kannst hier lernen, das Leben zu lieben. Versuch es wenigstens.«
Während er sprach, strich Philipp leicht über ihren Arm. Zuerst schien es wie eine zufällige Berührung, aber dann begannen seine Finger zu kreisen, schienen die sanften Rundungen ihrer Schulter unter der Seide ihres Kleides
Weitere Kostenlose Bücher