Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Scheiterhaufen in Wahrheit schon viel zu nahe gewesen, um nun unbeschwert eine Hexe zu spielen. Zumal Barbe de Richemonde nach wie vor kein Auge von ihr ließ. Sabine fühlte sich ständig von ihr beobachtet, als lauere die Hofdame nur darauf, irgendeinen Makel an ihrem Lebenswandel zu finden oder sie gar ketzerischer Handlungen zu überführen. Immerhin meinte Sabine inzwischen zu wissen, warum Barbe sie mit einem solchen Hass verfolgte. Der halbe Hof klatschte darüber, dass sie wohl die Dame war, die Jules de Caresse zur außerehelichen Gespielin erwählt hatte. Kein Wunder, so tratschten die Mädchen, bei seiner langweiligen Gemahlin Sabine fand er sicher keine rechte Erfüllung! Die verheirateten Frauen schwiegen meist zu dem Thema. Sie selbst waren oft alles andere als prüde, erlebten aber ebenfalls, dass ihre Männer auch bei anderen Zerstreuungen suchten. In der Regel mussten hier allerdings Mägde und Zofen herhalten – nur selten brüskierte ein Ritter seine Gattin durch eine Affäre mit einer Ranggleichen. Das machte Barbes Beziehung zu Jules zu etwas Besonderem – und Fleurette, die ihre Informationen nicht nur von den flatterhaften Halbwüchsigen am Hof hatte, sondern von anderen Mägden, die oft schon jahrelang bei Hofe dienten, konnte noch mit weiterem beunruhigenden Wissen aufwarten.
»Es heißt, die Marquise de Richemonde sei auch schon beim letzten Aufenthalt des Marquis bei Hofe seine Favoritin gewesen. Man habe damals von Heirat gesprochen, ihre Trauerzeit war gerade herum. Aber dann kam die Belagerung von Montségur, Monsieur ging nach Ariège – ja, und dann hat er um Euch geworben. Marquise de Richemonde soll sehr wütend geworden sein – vorsichtig ausgedrückt«, meinte Fleurette und flocht Sabines schwarzes Haar. Die Hofgesellschaft plante wieder einmal ein Artus-Spektakel und Sabine hatte man erneut in die Rolle der Zauberin gedrängt. Die kichernden Mädchen hatten eine Barke geschmückt, auf der Sabine auf ein Inselchen im Teich rudern sollte. Dort hätte sie dann ihren Ritter zu erwarten. Ein kaum verhohlener Versuch, Sabines Widerstand gegen die schmachtenden jungen Ritter endlich zu brechen. Sicher diskutierten die Frauen schon tagelang darüber, wen man ihr schicken würde. Sabine hoffte, dass es nicht Philippe wäre, aber der Ritter aus Ariège hielt sich dem Hofe in letzter Zeit erkennbar fern. Jules de Caresse war hochzufrieden. Ihm musste es schließlich erscheinen, als nähme der Ritter seine beim Wettkampf geäußerten Drohungen ernst.
»Soll es wirklich so schlicht werden, Marquise?«, fragte Fleurette, als sie das Ergebnis ihrer Bemühungen kritisch betrachtete. »Ich könnte vielleicht ein paar Blumen ins Haar stecken. So wirkt es trist zusammen mit dem dunkelblauen Kleid.«
Sabine zuckte die Schultern. »Darüber kommt ja noch ein Mantel, den die Mädchen mit Monden und Sternen bestickt haben. Extra für diese Spiele, eine wochenlange Arbeit – da wäre es fast nützlicher, Altartücher zu besticken. Aber wenn es sie glücklich macht. Jedenfalls soll die Herrin vom See eher schlicht gekleidet sein, im Gegensatz zu den blondlockigen Schönheiten wie Elaine und Genevra.« Sie seufzte desinteressiert.
»Mondstein!«, freute sich dagegen Fleurette. »Ich stecke Euch einige Schmucknadeln mit Mondstein ins Haar. Das wirkt schlicht, setzt der Frisur aber doch ein paar Glanzpunkte auf. Und, weiß man schon, welchen Ritter man Euch schickt?« Die kleine Zofe kicherte. Sie wusste den Vergnügungen bei Hofe mehr abzugewinnen als ihre Herrin.
»Ich hoffe, einen schweren«, gab Sabine zurück. »Dann kentert vielleicht die Barke. Das Ding macht keinen belastbaren Eindruck – zumindest heute morgen noch nicht, als die Mädchen das alte Boot am Teichufer fanden und dadurch auf die dumme Idee verfielen.«
Fleurette lachte. »Da machen Sie sich mal keine Gedanken! Jean Pierre und zwei andere Knechte haben es am Vormittag gründlich überholt. Die Herzogin überlässt bei diesen Spielen nichts dem Zufall, das wisst Ihr doch. Schon, damit die Troubadoure nicht von ertrunkenen Rittern an ihrem Hof singen.«
Sabine wurde gleich zu Anfang des Spektakels feierlich per Ruderboot zur ›Insel Avalon‹ gebracht und genoss dort ein paar Stunden ungestörten Alleinseins. Das Inselchen war winzig, aber groß genug, um einen Miniaturpavillon in Form einer Muschel darauf unterzubringen. Zweifellos eine Grille der Herzogin, die dann über neuere Ideen der Gartengestaltung in Vergessenheit
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