Melodie des Südens
Kaffee mit euch trinken, sobald ich … nun, sobald ich mit Mr McNaught gesprochen habe.«
Marianne blickte starr auf die Wand gegenüber. Ihr Vater hatte recht, sie konnte schweigen und sich unnahbar machen. Die kleine Kaminuhr schlug, ansonsten war es still im Zimmer.
Yves stützte die Ellbogen auf die Knie, um ihr ein paar Zentimeter näher zu kommen. »Bist du böse auf mich?«
»Nein, gar nicht.« Das Muster in der Tapete schien all ihre Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
»Sechsundzwanzig Tage.«
Er hatte sie also auch gezählt. Sie sah ihn von der Seite an. Wenn er jetzt lächelte, würde sie das Zimmer verlassen. Aber er lächelte nicht, sondern sah sie voller Schmerz an. Ausgezeichnet.
»Ich wäre früher gekommen, wenn ich gekonnt hätte.«
Dafür hatte er ein Drehen des Kopfes verdient.
»Ich habe dich vermisst«, sagte er.
Sie zog an den Falten ihres Rockes, der ein wenig raschelte.
»Marianne.« Yves stand auf und kniete neben ihrem Sessel, ohne sie zu berühren. »Sieh mich doch an.«
Er roch so gut! Sie sah ihn an und versuchte dabei die Tatsache zu verbergen, dass sie schneller atmete.
»Hast du mich denn ganz vergessen?«
»In sechsundzwanzig Tagen?«
»Ich habe jede Minute an dich gedacht. Aber ich konnte doch nicht mit deinem Vater sprechen, bevor ich alles in die Wege geleitet hatte. Einen mittellosen Bewerber würde er doch sicher ablehnen.«
Nein, er war überhaupt nicht neckisch, in seinen Augen lag eher ein Flehen. Marianne entspannte sich. Sie hatte ihn nervös gemacht, mehr brauchte sie nicht. »Werden wir denn mittellos sein?«
Jetzt lächelte er. »Nein, meine Liebste, das werden wir nicht. Allerdings auch nicht gerade wohlhabend. Könntest du ohne Seide und Satin, ohne Dienstboten und Wagen glücklich sein?«
Sie legte den Kopf schief, als müsste sie erst darüber nachdenken. Dann blickte sie ihm in die goldgefleckten haselnussbraunen Augen. »Wirst du mich jeden Tag küssen?«
»Ja.«
»Abends und morgens?«
»Immer zur vollen Stunde.«
»Und wenn das nicht reicht?«
Yves lachte. »Ich werde mein Bestes tun.« Er zog sie aus dem Sessel, zog sie an sich und küsste sie mit aller Sehnsucht der vergangenen sechsundzwanzig Tage.
Nach einem Kuss, der so lange dauerte, dass Freddie zu winseln begann, ließ er sie wieder los. »Mehr gibt es jetzt nicht.« Er ging zurück zu seinem Sessel. »Setz dich dort drüben hin.«
Sie lachte und strich sich übers Haar. Zwei Meter von ihm entfernt, gab sie sich Mühe, ein damenhaftes Benehmen zu zeigen. »Wie geht es Gabriel?«
»Sehr gut. Er geht schon ohne Krücke, nur noch mit einem Spazierstock. Und er hat Simone geheiratet! Seine Tante Josie hatte den Pfarrer bereits im Haus, als die beiden ankamen.«
Plötzlich klopfte er auf seine Weste. »Ach, wie konnte ich das nur vergessen?« Er zog einen kleinen Samtbeutel aus seiner Tasche. »Ich war nämlich in Natchez.« Er legte den Beutel in ihre Hand. »Deine Perlen.«
Marianne schüttelte die Ohrringe in ihre Handfläche, die Perlen, die sie zur Verfügung gestellt hatte, um Luke zurückzukaufen. »Oh, Yves!« Sie stand auf und küsste ihn. »Ich danke dir!«
Ihr Vater streckte den Kopf zur Tür herein. »Wie sieht es mit dem Kaffee aus?«
Marianne lächelte ihn restlos glücklich an. »Kaffee wäre jetzt sehr gut, Vater.«
Nach dem Mittagessen sah Yves Marianne mit hochgezogener Augenbraue an, und sie nickte.
»Könnte ich Sie sprechen, Mr Johnston?«
»Selbstverständlich. Kommen Sie doch mit in mein Arbeitszimmer, dann können wir in Ruhe eine Zigarre rauchen.«
Marianne blieb im Speisezimmer, das dem Büro viel näher lag als der Salon. Annie und Charles räumten die Reste des Essens ab, wischten den Tisch sauber, stellten den silbernen Kerzenleuchter wieder in die Mitte und ließen sie allein. Einige Minuten später kam Charles mit einem silbernen Sektkühler und einer Flasche Champagner wieder. Annie brachte ein winziges Silbertablett mit Gläsern aus Kristall. Dann ließen sie sie wieder allein, und Marianne starrte den Champagner an, da sie nun einmal nichts anderes tun konnte, bis ihr Vater und Yves wieder auftauchten. Freddie wieselte um ihre Füße. Die Uhr im Salon schlug zwei. Als sie halb drei schlug, befanden sich die Männer offenbar immer noch im Arbeitszimmer. Männer und ihre Zigarren. Wussten sie denn nicht, dass sie hier draußen wartete? Worüber in aller Welt mussten sie so lange reden?
Endlich ging die Tür auf. Marianne stand auf und wartete auf
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