Melodie des Südens
Serviette zur Seite und stand auf.
In diesem Augenblick schob sich Marcel aber schon an Charles vorbei ins Speisezimmer. Sein Gesicht war starr vor Wut. Mr Johnston sprang auf, während Adam sitzen blieb, hingefläzt auf seinem Stuhl, das Weinglas in der Hand.
»Ah, der reitende Rächer«, lallte er und hob sein Glas, als wollte er einen Trinkspruch ausbringen. »Wo bleibst du denn so lange?«
»Steh auf, verdammt noch mal!«, sagte Marcel, die Hände zu Fäusten geballt.
Yves kam um den Tisch herum und versuchte, sich zwischen die beiden zu stellen. »Marcel, was ist denn?«
»Geh zur Seite, Yves.« Marcel schob seinen Bruder weg, aber Yves hielt ihn fest. »Warte!«
»Erklären Sie sich, junger Mann!«, dröhnte Mr Johnston.
Marcel riss sich zusammen. »Mr Johnston, das ist eine Angelegenheit zwischen Ihrem Sohn und der Familie Chamard. Wir werden unsere Streitigkeiten draußen fortsetzen.«
»Na, ich gehe heute nicht mehr raus«, sagte Adam wie ein trotziges Kind.
Marcel riss sich von Yves los und schlug Adam ins Gesicht, fest genug, dass es ihm den Kopf zur Seite riss. »Dann, verdammt noch mal, wähl deine Waffen.«
Adam setzte sich ein wenig zurecht, als wäre er nicht soeben tödlich beleidigt worden. »Nein, nein«, bemerkte er träge, »ich glaube, ich werde dich fordern, dann kannst du die Waffen wählen.«
»Marcel, er ist betrunken«, sagte Yves. »Lass es.«
»Er war auch betrunken, als er Nicolette geschlagen hat. Er hat sie übel geschlagen, Yves, so übel, dass er ihr den Kiefer gebrochen hat.«
»Nicolette? Ist sie …«
»Der Arzt ist bei ihr, und Cleo.«
Yves ballte die Fäuste. Er ging auf Adam los, den Kopf gesenkt wie ein angreifender Stier.
Marianne warf im Aufstehen ihren Stuhl um. »Yves!«
Er schüttelte den Kopf; das Tier in ihm wurde besänftigt durch Mariannes Bitten. Ihre Liebe stand auf dem Spiel, ebenso wie Adams Leben. Wenn er ihren Bruder zusammenschlug, würde sie ihm das jemals vergeben? Aber Adam hatte Nicolette geschlagen, wie konnte Yves das verzeihen?
Er sah Marianne fest in die Augen, die fast violett geworden waren. Hatte sie Angst um ihre Liebe? Oder fürchtete sie nur, Adam könnte etwas passieren? Er ging auf sie zu. »Marianne.« Er musste sie um Verständnis bitten, sie musste doch verstehen, dass er die Sache nicht auf sich beruhen lassen konnte – für Nicolette, für ihre Ehre.
»Nicolette Chamard?«, fragte Mr Johnston. »Bertrands Bastard-Tochter? Die Achtelnegerin? Geht es um die?«
»Vater!« Marianne wurde rot bei den Worten ihres Vaters. Sie blickte zwischen ihm und Yves hin und her, und er sah ihre Furcht, aber er konnte die Wut nicht mehr aufhalten, die in ihm hochkochte. Sein Gesichtsfeld verengte sich, er sah nur noch die beiden Männer, die seine Schwester beleidigt hatten, seinen Vater und die ganze Familie Chamard.
Er hatte vergessen, dass es um Mariannes Vater und Bruder ging. Er hatte vergessen, dass er Gast in diesem Haus war. Marcels Zorn kochte heiß, Yves war eiskalt.
»Sie sprechen von meiner Schwester, Sir«, sagte er. »Sie werden sich entschuldigen, oder ich …«
»Ja«, unterbrach ihn Adam und hob mit höhnischem Gesichtsausdruck das Glas. »Um die geht es. Um den hübschen Bastard mit dem Anstand einer rolligen Katze.«
Marcel sprang nach vorn, aber da hatte Yves’ Faust bereits mit voller Wucht Adams Gesicht getroffen.
Wie mit halber Geschwindigkeit sah Yves das Weinglas aus Adams Hand fliegen und in tausend Splittern an dem strahlenden Kandelaber zerschellen. Glas klimperte auf Metall, und der Wein spritzte in einem feinen roten Bogen aus einzelnen Tropfen. Adams schwerer roter Stuhl fiel ganz langsam um.
Als Adam auf dem Boden aufschlug, wurde die Zeit wieder lebendig. Marianne rannte um den Tisch. »Hört auf! Er ist betrunken, Yves, siehst du das denn nicht?«
Aber Yves sah alles, fast zu deutlich. Marianne, die sich über Adam beugte und ihr blaues Kleid mit Blut befleckte, dieses blaue Kleid, das er so sehr liebte, das Kerzenlicht auf ihrem Haar. Wann würde er sie nach diesem Ereignis wiedersehen?
Mr Johnston eilte um den Tisch und sah, wie das Blut von Adams Gesicht strömte. »Mein Gott, Sie haben ihn umgebracht!«, rief er.
Marianne legte ihre Finger an die klaffende Wunde an Adams Kopf. »Nein, Vater, er hat sich nur am Tischbein die Kopfhaut verletzt.«
Mr Johnston hob die Faust und brüllte Yves an: »Verlassen Sie mein Haus!«
Yves fühlte sich schwer wie ein Stein. Er hatte Mariannes Bruder
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