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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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vermutlich nichts bedeuteten. Und sie war klug genug, sich nicht mehr einzubilden.
    Er drehte ihr Gesicht zur Seite, um sich den blauen Fleck anzusehen, wo Wilson sie geschlagen hatte. »Tut das weh?«
    »Ein bisschen.«
    Er küsste sie auf die Nasenspitze. »Komm, wir gehen frühstücken.«
    Sie gingen nebeneinander her, ihre Hände berührten sich hin und wieder. Marianne sah ihn unter den Wimpern hervor an. »Du hast Brombeeren gegessen.«
    Er lachte.
    »Und ich habe geglaubt, du denkst an mich.«
    Am Feuer zeigte er ihr ein riesiges Lilienblatt, das er mit frisch gepflückten Beeren gefüllt hatte.
    Sie ließ sich eine der üppig schimmernden Beeren in den Mund fallen. »Hmmm. Du bist mein beau idéal.«
    »Du kannst Französisch?«
    »Mais oui. Schließlich war meine Maman ein braves creolisches Mädchen.«
    Sensibel, sinnlich, verführerisch. Klug und vernünftig. Eine gute französisch-englische Mischung. Yves sah nach dem Hasen am Spieß über dem Feuer. Jetzt war er durch. Es war gar nicht so einfach, ihn vom Spieß zu bekommen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Dann begriff er, was er da gedacht hatte. Natürlich konnte fast jeder, den er kannte, sowohl englisch als auch französisch sprechen. Er war ein Idiot, und er musste aufpassen, dass er sich nicht mutwillig zum Narren machte.
    Marianne kniete neben Pearl nieder und berührte sie an der Schulter. »Pearl?«
    Pearl schlug langsam die Augen auf, offensichtlich verwirrt. Dann leuchtete ihr Gesicht auf, als sie begriff, wo sie war.
    »Wir müssen gleich frühstücken und weiterreiten«, sagte Marianne. »Kannst du reiten? Kannst du aufstehen und laufen? Oder tut es zu weh?«
    Pearl versuchte es, und nachdem sie sich ein paar Momente bewegt und gestreckt hatte, schien alles in Ordnung zu sein, wie Marianne erleichtert feststellte. Sie würden diesen Tag wieder im Sattel verbringen müssen, und vermutlich noch einen, bis sie in Natchez ankamen.
    Zu Mittag machten sie an einem gepflegt aussehenden Gasthof Halt. Marianne nahm ein Zimmer für sich und Pearl, damit sie sich frisch machen konnten, während Yves sich um die Pferde kümmerte. Dann genossen sie ein warmes Essen, Pearl in der Küche, Yves und Marianne im Speisesaal. Yves kaufte Vorräte und eine Bratpfanne, und binnen einer Stunde waren sie wieder unterwegs. Das Wetter war viel besser geworden, und die Straße trocknete, sodass das Reisen angenehmer wurde. Und mit jeder Meile näherten sie sich Gabriel.
    Für die Nacht mieteten sie sich wieder in einem Gasthaus ein. Nach einer luxuriösen Wäsche mit heißem Wasser und Seife, so hausgemacht und grob sie auch war, aßen sie Wildpastete und Feigenpudding zu Abend und streckten ihre müden Knochen dann zwischen sauberen Laken und Decken aus. Pearl schlief auf einer Matte in Mariannes Zimmer, Yves hatte sein Zimmer auf der anderen Seite des Korridors.
    Nach weiteren zwei Tagen wurde klar, dass Natchez nicht mehr weit sein konnte. Zwei Mal überholten sie Züge von Sklaven auf dem Weg zum großen Markt. Die Unglücklichen gingen in Zweierreihen, mit Eisenkragen um den Hals und Handschellen um die Gelenke. Yves beobachtete Marianne, um zu sehen, wie sie auf den Anblick reagierte. Die meisten jungen Frauen, die er kannte, hätten einfach die Augen von dem unerfreulichen Anblick abgewandt, aber Marianne konnte sich von den schwarzen Menschen kaum losreißen, die dahinschlurften, die Köpfe in Müdigkeit und Erschöpfung gesenkt.
    Pearl betrachtete jeden einzelnen Mann genau, sodass Yves sich schon fragte, ob sie voller Schrecken oder voller Hoffnung nach Luke Ausschau hielt. Doch der musste eigentlich schon viel weiter im Norden sein.
    Was ihn selbst anging, so bemühte sich Yves, ein unbewegtes Gesicht aufzusetzen, während sie an den eingefangenen Sklaven vorbeiritten, aber innerlich war er ganz steif vor Zorn. Einige der gefesselten Männer waren wohl für schnelle Münze an die Sklavenhändler verhökert worden, aber die meisten waren sicher Flüchtlinge. Tapfere Männer, die es gewagt hatten, wegzulaufen, ohne Geld in der Tasche, ohne eine Landkarte, ohne Pferd. Sie hatten nur ihre Hoffnung besessen. Und ihren Mut.
    Die Straße bog ab und trennte sie von den klirrenden Ketten der Sklaven. Nur noch das Geräusch ihrer eigenen Pferde übertönte das Summen der Fliegen.
    Sie ritten weiter, und Yves dachte darüber nach, wie er die soeben gesehene Szene in dem nächsten Essay beschreiben würde, den er nach Rochester, New York, schicken wollte. Dort

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