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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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wieder. »Ja bitte, Mr Chamard?«
    Er ging nicht auf ihr neckendes Lächeln ein.
    »Es wird nun bald Nacht.«
    »Ja, mit dieser Erscheinung bin ich bereits vertraut.«
    »Und wie stellen Sie sich das vor?«
    »Nun, ein Gasthaus wäre natürlich nett. Vielleicht finden wir auch eine Plantage in der Nähe. Wer auch immer hier lebt, kennt vermutlich meinen Vater. Und Ihren Vater. Wir könnten uns also der Gastfreundschaft dieser Menschen versichern.«
    Yves seufzte. »Du hast wirklich überhaupt noch nicht darüber nachgedacht, Marianne.«
    Sie wand sich angesichts der Beleidigung ihres gesunden Menschenverstands. »Aber jetzt denke ich nach«, schnauzte sie ihn an, nahm ihre Röcke zusammen und wollte aufstehen. Aber er streckte die Hand aus. »Warte.« Sie setzte sich wieder und wartete ab, was er zu sagen hatte.
    »Wollen wir vielleicht einen Augenblick über Ihren guten Ruf nachdenken, Miss Marianne?«
    »Mit meinem Ruf ist alles in bester Ordnung. Pearl hat uns nicht einen Moment aus den Augen gelassen. Wir haben nichts Unschickliches getan.«
    Yves wackelte mit den Augenbrauen. »Noch nicht.« Er grinste sie an, und sie wollte wieder aufstehen.
    »Nein, tut mir leid, das war unhöflich von mir«, sagte er, aber sie lächelte immer noch nicht. »Es war unverzeihlich unhöflich und grob, und ich müsste dafür gehängt werden.« Nun lächelte sie ein bisschen. »In Ordnung, erst erschossen, dann gehängt.«
    »Ja, das wäre wohl angemessen.«
    »Aber vorher sollten wir darüber nachdenken, wie wir die Nacht verbringen wollen. Meilenweit in beide Richtungen weiß ich von keinem Gasthaus. Und was das Haus mit der Gastfreundschaft angeht, so bezweifle ich, dass wir so unschuldig aussehen, wie wir sind.«
    Sie sah ihre durchnässten Kleider an. Ihr Haar musste vollkommen zerzaust sein. Sie war von oben bis unten voll Schlamm. Sie wog ihr Aussehen gegen ihre Sehnsucht nach einem warmen Kaminfeuer und einem trockenen Bett ab. Das trockene Bett siegte.
    »Darf ich außerdem darauf hinweisen«, fuhr Yves fort, »dass kein Mensch aus unseren Kreisen bisher etwas von unserem gemeinsamen Abenteuer weiß? Niemand weiß, dass Albany Johnstons Tochter im strömenden Regen mit einem Mann unterwegs ist, der – wenn auch vollkommen ungerechtfertigt, wie ich betonen muss – im Ruf steht, ein übler Frauenheld zu sein.« Er sah sie von der Seite an. »Kennst du Lindsay Morgan?«
    Sie hob das Kinn und sah ihm in die Augen. »Allerdings.«
    Er hatte den Anstand, einen peinlich berührten Blick aufzusetzen. »Ja, wie gesagt, ich bin nicht der Frauenheld, als der ich gelegentlich bezeichnet werde. Aber die Welt der Plantagenbesitzer ist klein. Wenn wir an einer Plantage anhalten, wird es garantiert Gerede geben, dass Marianne Johnston bei Einbruch der Nacht auftauchte, nass, voller Schlamm und in Gesellschaft dieses berüchtigten Schurken Yves Chamard.«
    »Äh, ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst.«
    »Es liegt also ganz bei dir. Du kannst darauf hoffen, deinen guten Ruf zu erhalten, indem du eine unbequeme Nacht im Wald verbringst, oder du kannst deinen Ruf mutwillig ruinieren, der für eine junge Frau in deiner Position nicht ganz ohne Bedeutung ist.« Das schiefe Lächeln war wieder da. »Möchten Sie einen Rat von mir hören, Miss Johnston?«
    »Nein, das möchte ich nicht.« Sie stand auf und nahm Eleanors Beutel an sich. »Ich habe mich für den Wald entschieden.«
    Yves fand eine Lichtung weit genug von der Straße, sodass man sie weder sehen noch hören konnte. Nächtliche Reisende zogen praktisch unweigerlich Unholde an, die nahmen, was immer man mit sich führte, und ihre Opfer mit eingeschlagenem Schädel zurückließen. Also gab es kein Feuer. Das Holz war ohnehin zu nass.
    Sie hatten lediglich eine Decke bei sich, weil nur Yves daran gedacht hatte, eine mitzunehmen. Die Frauen breiteten die Regenmäntel mit der trockenen Seite nach oben aus und legten sich mit Yves’ Decke über sich darauf. Yves hatte folglich die Wahl: Er konnte den Regenmantel zwischen sich und den nassen Erdboden legen oder darin eingewickelt vor sich hin schmoren, dabei aber ein oder zwei Dutzend Mückenstiche vermeiden.
    So verbrachten sie eine elende Nacht.
    Marianne erwachte vom Duft gebratenen Fleischs. Zuerst dachte sie, sie bilde sich das vor lauter Hunger nur ein, aber als sie sich aufsetzte, stellte sie fest, dass dort tatsächlich ein Hase am Spieß über einem kleinen, rauchenden Feuer schmurgelte. Wie hatte Yves das Tier getötet?

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