Melodie des Südens
Pferd, Pearl, da bist du in Sicherheit.«
Marianne besaß genug Menschenkenntnis, um niemandem zu zeigen, wie sehr sie Luke wiederhaben wollte. »Ich denke, ich könnte ihn Ihnen auf der Stelle abnehmen«, sagte sie zu dem peitschenschwingenden Mann mit aller Nonchalance, die sie aufbrachte. »So sparen Sie sich die Mühe, ihn bis zu uns nach Hause zu bringen.«
Der Sklavenhändler lehnte sich auf den Sattelknauf und betrachtete Lukes Größe, seine breiten Schultern, seine aufrechte Haltung. »Schätze, er ist ein bisschen mehr wert als nur ein paar Dollar, ein schöner Bursche. Die Belohnung sollte wohl angemessen sein.«
»Selbstverständlich.« Verdammt, sie hatte fast ihr gesamtes Bargeld ausgegeben, und dasselbe galt wohl auch für Yves. »Ich schreibe Ihnen gern einen Wechsel auf die Belohnung. Vielleicht haben Sie ja Papier bei sich?«
Der Mann schnaubte.
Ein junger Mann kam den Weg entlanggeritten und gesellte sich zu ihnen. Er hatte blondes Haar, Sommersprossen, blaue Augen und trug ein blaues Baumwollhemd. Auf den zweiten Blick erkannte Marianne, dass er kaum älter als fünfzehn sein konnte, aber er mischte sich mit großer Autorität in die Unterhaltung der Erwachsenen ein.
»Wir wissen nicht, ob dieser Sklave Ihnen gehört oder nicht, Lady«, sagte er. »Entschuldigen Sie, wenn ich das so deutlich sage.«
Yves entgegnete in erklärendem Ton: »Sie haben gesehen, wie diese Frau,« – er nickte zu Pearl hinüber – »die offensichtlich Miss Johnstons Sklavin ist, auf diesen Mann zugelaufen ist. Das sollte doch wohl Beweis genug sein.«
Der Sklavenhändler unterbrach ihn. »Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?«, fragte er Marianne.
Das Gesicht des Jungen wurde dunkelrot. »Wir nehmen kein Geld von ihr, Horn. Pa hat mir befohlen, zwanzig Sklaven mitzubringen, und das werde ich tun.«
»Ich versichere Ihnen«, fiel Marianne ein, »dass ich Ihnen einen Wechsel auf den vollen Kaufpreis ausstelle …«
»Nein, Madam. Wir verkaufen keine Sklaven mal eben so am Straßenrand. Mein Pa bekommt Spitzenpreise für jeden einzelnen, den ich mitbringe. Sie werden auf dem großen Markt in Natchez verkauft. Wenn Sie diesen hier kaufen wollen, kann ich mit meinem Pa darüber reden, aber ich nehme auf jeden Fall erst mal alle mit nach Natchez.«
»Es sollte doch wohl möglich sein, zu einer geschäftlichen Einigung zu kommen«, versuchte es Yves noch einmal ruhig. Er war doch nicht der Hitzkopf, für den sie ihn gehalten hatte. »Wir kommen gerade von Natchez und haben es recht eilig mit unserer Reise Richtung Norden. Wir können uns doch sicher einigen, oder nicht?«
Marianne verstand, was er vorschlug. Yves deutete die Möglichkeit an, ein Bestechungsgeld zu zahlen, um die Transaktion zu befördern. Sie war durchaus bereit dazu, aber was konnte sie anbieten?
Ihre Ohrringe. Sie trug ihre Perlenohrringe. Die sollten wohl genug wert sein, um Luke zu kaufen, alle Bestechungsgelder eingeschlossen.
Horn sah den blonden Jungen mit erhobener Augenbraue an. »Es geht doch nichts über Bargeld zur rechten Zeit.«
»Ich habe Nein gesagt. Pa erwartet zwanzig Sklaven von mir, und er wird zwanzig bekommen. Soweit ich weiß, gibt es bereits einen Kaufinteressenten für die ganze Gruppe.«
»Es kommt so oft vor, dass Sklaven auf dem Marsch sterben«, sagte Horn.
Die Ohren des Jungen waren jetzt so rot wie sein Gesicht. »Horn, wenn Sie jemals wieder für meinen Vater arbeiten wollen, dann tun sie, was ich Ihnen sage.«
Horns Gesicht verzog sich auf hässlichste Weise. Er holte Schleim hoch und spuckte so aus, dass Mariannes Magen sich umdrehte. Ohne noch irgendjemanden anzusehen, ritt er zurück an den Anfang der Reihe.
»Tut mir leid, Madam«, sagte der Junge. »Hier am Straßenrand kann ich Ihnen nicht helfen. Kommen Sie nach Natchez und besuchen Sie meinen Vater, Harvey Fox. Er ist für solche Geschäfte zuständig.«
»Aber Mr Fox, ich bitte Sie«, versuchte es Marianne noch einmal.
Der Junge wendete sein Pferd, und die Sklavenreihe bewegte sich wieder vorwärts.
»Luke!«, schrie Pearl. »Missy, ich sehe ihn nie wieder! Bitte, Missy!«
Die Ketten der Sklaven vor ihm zogen Luke weiter, die eisernen Schellen klirrten und rasselten. Sein Gesichtsausdruck brach Marianne das Herz. Seine Liebe zu Pearl, seine Hilflosigkeit und nun die zerstörte neue Hoffnung. Verzweiflung malte sich auf seine Züge.
Marianne blickte in Yves grimmiges Gesicht.
Es war wirklich viel verlangt. Sie waren nur noch anderthalb
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