Melville
in seiner Marzipanwelt
auch nur zu überleben.“, sagt Vanessa daraufhin.
„‘Der
Staatsdiener und der Reiter’, lächerlich!“, sage ich verächtlich
vor mich hin.
„Nimm
es doch etwas lockerer, Melville. Auf seine Art hat er dich wohl
gern.“, versucht auch Daniel mich zu beschwichtigen.
„Ich
kann ihn ja mal gernhaben.“, sage ich bedrohlich und bin froh, dass
Andrew endlich losfährt.
„Die
Nacht ist noch jung. Wer kommt als nächstes?”, fragt Vanessa. Mein
Interesse an einem weiteren Kontrollbesuch ist zwar in etwa auf dem
Tiefpunkt, aber die Liste ist lang. Und sicher ist nicht einer auf
dieser Liste mit Anstand und Respekt, den ausführenden Organen der
Domäne gegenüber, gesegnet.
„Gut,
einer noch. Such du ihn aus Daniel. Vielleicht hilft uns deine Gabe
und es wird nicht noch so ein Reinfall.”. Ich reiche ihm den Zettel
nach hinten und er nimmt ihn an.
„Na
gut.”. Er schließt die Augen und tippt willkürlich mit dem Finger
auf einen Namen. Vanessa liest für ihn das Ergebnis dieser
hochwissenschaftlichen Methode vor.
„Florence
Baulder.”.
„Klingt
vernünftig. Akzeptiert.“, sage ich nur und wir machen uns weiter
auf den Weg.
„Florence
wohnt hier nicht mehr. Der is vor ner Weile zu seiner Freundin
gezogen.”. Der junge und leicht übernächtigt aussehende Mann,
steht nur in Freizeitkleidung gehüllt in der Tür. Dennoch eine
aufstrebende Wohngegend, sicher werden die Mietpreise hier bald
steigen. Ich sollte überlegen, hier in Immobilien zu investieren. Da
ich Andrew den Vortritt gelassen habe, kann ich die Zeit für meine
eigenen Gedanken nutzen. Ich sollte meinem Stellvertreter von dieser
Idee berichten und ihn Informationen einholen lassen.
„Wissen
Sie denn, wo diese Freundin wohnt?”, fragt ihn Andrew weiter.
„Nein,
tut mir leid. Aber wenn Sie ihn suchen, der tritt nur ein paar
Straßen weiter in ‘nem Poetry Slam Club auf. ‘Blue Rose’ oder
so.”.
„Auch
heute Abend?”.
„Ich
glaube jeden Abend. Der muss ja seine Rechnungen auch irgendwie
bezahlen.”.
„Danke
für Ihre Hilfe und verzeihen Sie die späte Störung.“, bedankt
sich Andrew vorbildlich. Da nicht abzusehen war, im Gegensatz zum
protzigen Anwesen von Mr Artineau, ob ein Eingeweihter die Tür
öffnen wird, haben nur ich und Andrew an der Tür geklingelt. Daniel
und Vanessa stehen etwas abseits und bewachen die Szenerie.
‘Poetry
Slam’, was mag das jetzt nur schon wieder sein. Ich werde es ja
gleich sehen.
Als
wir die Stufen der kleinen Vortreppe des Hauses wieder hinab gehen,
fragt Andrew mich
„Warum
wolltest du nicht fragen? Hat dich der erste Besuch heute so
verschreckt?”.
„Wenn
‘Klüngelsprecher’ bedeutet, dass ich immer reden muss, erledige
ich unsere gesamte Aufgabe ja fast allein, oder?”.
„Ist
halt eine sehr förmliche Aufgabe.”.
„Du
machst das doch gut, Andrew, kein Grund die Arbeit nicht zu teilen.
Je nach Klientel werden sicher auch Vanessa und Daniel zu ihrem
Einsatz kommen.”. Er sieht mich kurz von der Seite an und scheint
eigentlich noch etwas anderes fragen zu wollen, doch da kommen auch
schon die beiden auf uns zu.
„Und?“,
fragt Daniel.
„Mr
Baulder ist nicht mehr hier ansässig. Aber er tritt gerade in einem
Etablissement auf und wir können ihn dann direkt fragen, wie seine
neue Adresse lautet.“, antworte ich und versuche bereits mit meinem
Smartphone die Adresse des „Blue Rose” herauszufinden.
„Etablissement?
Meinst du nen Puff?“, fragt Vanessa
irritiert.
„Nein,
ich meine kein Freudenhaus, sondern... was waren nochmal seine Worte,
Andrew?”.
„Ein
‘Poetry Slam Club’.”.
„Ah
ja, da gibt es in meiner Heimatstadt auch einige von. Ist ganz
unterhaltsam und mal was anderes.“, sagt Daniel.
„Wo
kommst du eigentlich genau her?”, fragt Vanessa interessiert nach.
Derweil beginne ich der Fußgänger-Navigation meines Telefons zu
folgen.
„Aus
Leuven, das ist eine Stadt in der Nähe von Brüssel.”.
„Ich
war noch nie in Belgien, isses schön da?”, fragt Vanessa und
einfach, weil ich es mir nicht verkneifen kann, sage ich, ohne den
Blick zu ihnen zu wenden
„Die
berühmtesten Kinderschänder kommen aus Belgien. Und die Gesetze der
EU, vielleicht gibt es ja einen Zusammenhang.”. Ich spüre wie mir
jemand in die Seite boxt.
„Das
war nicht nett, Melville.”, flüstert Andrew mir zu. Ich folge nur
weiter meinem Weg. Das nervige ‘Wir-lernen-uns-alle-kennen’-Gespräch
ist dafür aber erfolgreich
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