Melville
beendet.
Das
‘Blue Rose’ ist ein verrauchter und ungepflegter kleiner Raum im
Souterrain eines Mietshauses, in den höchstens auch nur zwanzig
Personen passen. Aber wir brauchen keine Bedenken haben, es sind
leicht überschaubare fünf Gäste hier. Der Eintritt betrug nur
einen peinlichen Pfund pro Person und ich frage mich, wie man bei der
augenscheinlichen Ausbeute hiermit seine Rechnungen bezahlen können
will. Mr Baulder gehört ja der Laden sicher nicht einmal. Damit
dürfte sein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegen.
„Das
muss dann wohl Mr Baulder sein.“, sage ich und deute zur kleinen
Bühne.
Im
diesigen Dunst dringen, verstärkt durch billige Lautsprecher, seine
schwülstigen Worte an mein Ohr.
„...
zart benetzter Lippenflieder, auf- und niederkriechend, davon
schleppend, ewigwährend. Zieht mich, zerreißt wie weichgeflochtenes
Gewebeband. Die Vernunft über den Rücken schleudernd, bis es
endlich auch dir gewahr wird; der Hauch des Vergessens mäandert an
den Grenzen des Verstandes. Hinfort zerrend, gejagt, gehetzt. Der
Willkür des ganz Großen ausgesetzt, fühle die Felle der Moral
entdriften, zu einem fremden, alten Ort. Begleitet durch auferlegte
Kulturen, unbekannt und stets missbraucht, akzeptiere ich den Umstand
meiner geheuchelten Fehlgeburt...”.
„Klingt...
interessant.”, ist alles was Andrew dazu zu sagen hat. Vanessa ist
derweil zu dem kleinen Ausschank gegangen und hat sich ein Bier
geholt. Wir setzen uns an einen der freien Tische und warten auf das
Ende seines Auftrittes. Ich nutze die Zeit und schreibe einige
Anweisungen an meine Sekretärin und dem Leiter meiner
Personalabteilung. Somit bekomme ich nur nebenbei mit, was Mr Baulder
noch so von sich lässt.
„...
die Schädel wiegen sich im Rhythmus, wie Schilf des Konformisten. Wo
kein Wille, da kein Individuum. Wir reichen uns die Hände, taumeln
gemeinsam allein, in eine andere Welt hinein. Die Mimik versteinert,
wächsern die Leiber, folgen wir zum Geldes-Rauschen, einem Fluss, an
dem jeder Trinkende ertrinken muss!”.
Dann
verbeugt er sich endlich und verhaltenes Klatschen erfüllt den Raum.
Ich packe mein Telefon ein und stehe auf. Er läuft an uns vorbei und
zündet sich eine Zigarette an.
„Mr
Baulder?“, halte ich ihn auf. Jetzt ist es wieder meine Aufgabe zu
fragen.
„Wer
will das wissen?”. Ich lächle ihm nur entgegen und betrachte ihn
das erste Mal wirklich. Ein enganliegendes schwarz-weiß gestreiftes
Oberteil, schwarze Hosen und ein Haarschnitt, der ihm ständig seine
Stirnfransen in die Augen fallen lässt. Seine Geste, diese Haare
wieder elegant mit einem Schwung nach hinten zu werfen, geht mir
bereits jetzt auf die Nerven.
„Keine
Bange, Mr Baulder. Wir sind im Auftrag ihrer und unserer Gesellschaft
hier. Gibt es einen Ort, wo wir uns ungehört unterhalten können?”.
Er mustert uns alle Vier und wirkt nicht gerade begeistert.
„Schön,
aber ich habe nur ein paar Minuten.”.
„Oh
ja, sicher, ihr Publikum wartet auf ihre nächste Runde.”, kann ich
mir die Ironie nicht verkneifen. Er zieht nur kurz die Augen zusammen
und führt uns dann nach draußen und um eine Ecke in Richtung der
Mülleimer. Ein wirklich rühmlicher Ort für mich und mein Klüngel.
Es ist ein Dilemma. Und bevor ich anfangen kann, reibt er sich kurz
die Nasenwurzel und plappert plötzlich los
„Hört
mal, ich hab das Zeug echt nicht mehr. Keine Ahnung... ich hab Carl
alles gegeben was ich hatte. Ich würde euch doch nicht verarschen.
Sagt Salvadore, dass ich immer ein guter Mitarbeiter war und ihn
niemals verärgern würde.”. Oh, so verdient er also sein Geld.
„Wir
sind nicht ganz die Leute, für die sie uns wohl halten, Mr
Baulder.”. Er sieht kurz verwirrt von einem zum anderen. Ich sehe
mich bei der Gelegenheit noch einmal um, ob auch wirklich keine
fremden Ohren mithören.
„Mein
Name ist Lancaster und dies ist mein Klüngel...“, wiederhole ich
meine Vorstellung diesen Abend und deute nach hinten, erspare mit
aber diesmal eine Vorstellungsrunde.
„Wir
wollten nur nachfragen, wie ihre aktuelle Wohnadresse lautet, damit
wir die Unterlagen des Senegals auf den neuesten Stand bringen
können.”. Er wirkt nicht gänzlich überzeugt.
„Anrufen
hätte da nicht gereicht?”.
„Nein,
leider nicht.”.
„Wenn
ich sie euch sage, haut ihr dann wieder ab?”.
„Ja,
Mr Baulder. Glauben Sie mir, ich möchte auch nicht länger als nötig
hier sein.”.
Er
kramt einen verknitterten Zettel und einen
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