Melville
oder
nicht?”. In Ermangelung einer Alternative, muss ich mich geschlagen
geben. Ich blicke mich zwar noch einmal um, ob ich einen Fluchtort
sehen kann, doch ich bin mir nicht einmal sicher, wie weit ich noch
komme. Wortlos gehe ich um den Wagen herum, greife nach dem Türgriff
und steige schließlich ein. Der Wagen setzt sich sanft in Bewegung.
„Schön,
freut mich. Mein Name ist Alfred.“ und er reicht mir seine Hand.
Doch bevor ich die Geste erwidern kann, fallen mir die Augen zu und
ich bin meinem Schlaf ergeben.
„Das
war irgendwie unhöflich.“, höre ich seine Stimme sagen. Ich öffne
die Augen und fahre erschrocken hoch. Für mich liegen immer nur
einige Sekunden zwischen meinen Wachmomenten. Eben saß ich noch in
seinem Auto. Und jetzt?
Ich
liege auf einer Couch, meine Schuhe sorgfältig davor und mein Sakko
über der Lehne. Ich bin in einem Wohnzimmer, das mit vollkommen
fremd ist. Gedimmtes Licht erfüllt den Raum. Es wirkt gemütlich
eingerichtet. Mit viel Liebe zum Detail, schwere dunkle Möbel,
überall Bücher. Meine Augen schweifen umher, auf der Suche nach
einer möglichen Bedrohung. Doch nur er ist hier und sitzt mir
gegenüber, den Kopf auf einer Hand abgestützt betrachtet er mich
schief. Ich kann mich etwas beruhigen und erinnere mich, dass er
etwas gesagt hat.
„Verzeihung.
Was haben Sie gesagt?”.
„Ich
sagte, das war irgendwie unhöflich. Ich wollte mich gerade
vorstellen, da schläfst du einfach ein.”.
„Es
tut mir leid. Ich danke für Ihre Hilfe, aber ich denke, ich sollte
jetzt lieber gehen.”. Auf irgendeine Weise ist er mir unheimlich.
Ich greife nach dem Sakko und fühle, ob die Uhr noch da ist. Ja, das
ist sie.
„Das
wird ja immer unhöflicher. Melville, du enttäuschst mich. Ein
Geschäftsmann erster Güte, doch kein Verständnis für soziale
Interaktion.”. Ich ziehe mir dabei die Schuhe an. Die fünfte Nacht
nun schon, trage ich diesen Anzug. Doch ich fühle immer noch nicht,
dass es mich nach Hause ziehen würde.
„Ich...”.
Ich sehe ihn wieder an und rede weiter.
„Es
ist einfach ein schlechter Zeitpunkt. Ich habe keine Ahnung was Sie
wollen, aber wenn es um Geschäftliches geht, machen Sie doch bitte
einen Termin mit meiner Sekretärin aus.”. Er lacht plötzlich laut
über meine Aussage.
„Du
bist gut... weißt du was, bei so Typen wie dir, sollte ich das
wirklich in Zukunft versuchen. Das könnte sogar klappen.”.
„Typen
wie mir?”. Dann wird sein Blick wieder ernster und mit
eindringlicher Stimme antwortet er
„Camarilla
Ventrue.”. Ich halte etwas beklommen inne. Bedeutet das...?
„Wenn
Sie ‘Camarilla’ so betonen, dann...”.
„Richtig,
Melville. Sabbat... Boo!“, sagt er und zuckt kurz in meine
Richtung. Und er lacht wieder, als er erkennt, dass ich sogar
wirklich etwas erschrecke. Ich stehe auf.
„Ich
werde jetzt gehen.”.
„Dann
viel Spaß. Es sind etwa drei Stunden Fußweg bis zum nächsten
Bahnhof, aber es fährt eh kein Zug mehr. Ungefähr eineinhalb
Stunden bis zur nächsten Telefonzelle, und du weißt nicht einmal in
welche Richtung. Und du hast kein Handy, um jemanden zu rufen, dass
weiß ich.”. Ich sehe ihn ungläubig an. Wo bin ich nur? Ich gehe
etwas auf das Fenster zu und sehe hinaus. Ich erkenne nichts, kein
Licht, nur ein wenig Grünfläche und ein paar dicht stehende Bäume.
„Wo
haben Sie mich hingebracht? Wo bin ich?“, frage ich lauter ohne
mich umzudrehen. Und dann sehe ich in meiner Reflektion im Glas, dass
ich etwas auf der Wange habe. Ich versuche es zu erkennen... er wird
doch nicht? Doch, das hat er. Ich befeuchte meine Fingerkuppen und
versuche mir das stilisierte männliche Geschlechtsorgan von der
Wange zu reiben.
„Lass
mich raten, du warst als Student nie so der Partygänger, was? Sonst
wüsstest du, dass man dafür Lösemittel braucht.”. Ich drehe mich
zu ihm und er lächelt siegessicher. Ich bin wütend und auch
ziemlich überfordert.
„Ich
habe hierfür wirklich keine Nerven, rufen Sie mir bitte ein Taxi.”.
„Alfred...
Alfred.“, versucht er mich zu erinnern. Er sitzt immer noch
seelenruhig da.
„Gut,
dann... Alfred, ruf mir bitte ein Taxi.”.
„Nein,
Melville. Erst müssen wir reden.”. Ich balle meine Hände kurz zu
Fäusten, seufze laut und weiß im Grunde, dass er mich in der Hand
hat.
„Setz
dich doch, dann gebe ich dir auch ein Tuch, damit du das entfernen
kannst.“ und er deutet auf mein Gesicht, muss aber auch wieder
dabei grinsen. Schweren Herzens folge ich
Weitere Kostenlose Bücher