Melville
seinem Angebot und setze
mich wieder hin. Er greift nach einer Serviette und einem Cognac
Schwenker neben sich. Gießt ein wenig von dem Alkohol auf das Tuch
und wirft es mir dann zu. Schnell entferne ich diese entwürdigende
Zeichnung auf mir.
„Also,
was soll das Ganze und was sollte mich daran hindern, dich
anzugreifen?”. Er lächelt süffisant und antwortet
„Weil
du nicht kämpfen kannst und du nicht sicher bist, ob noch mehr Leute
im Haus sind. Du hast mich die letzte Viertelstunde nicht
angegriffen, also wirst du es jetzt auch nicht mehr tun. So einfach
ist das. Und glaub mir, du würdest den Kürzeren ziehen.”.
„Was
macht dich da so sicher?”.
„Erfahrung.”.
„Ich
nehme an, ich bin nicht der Erste, den du so entführst?”.
„Entführen...”,
er macht ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge,
„Ich
bitte dich. Das war reine Gastfreundschaft, dich da draußen nicht
dem sicheren Tod preiszugeben. Und so dankst du es?”. Er schüttelt
vorwurfsvoll den Kopf, wirkt dabei aber weiterhin amüsiert.
„Dann
kannst du mir ja sagen, wo ich bin.”.
„Ich
sag es mal so, irgendwo zwischen der Nordsee und Lincoln.”. Ich
krame in meinen Erinnerungen, wo genau Lincoln noch einmal lag, muss
aber nachfragen
„In
der Nähe von Sheffield?”.
„‘Nähe’
wäre jetzt etwas übertrieben.”. Also war ich im Grunde im
Nirgendwo. Ich schlinge meine Finger ineinander und überlege, was
ich tun kann. Soll ich einfach gehen? Ich sehe ihm wieder in sein
Gesicht. Es wirkt freundlich, trotz der Tatsache, dass er vom Sabbat
ist. Ganz anders jedenfalls, als ich mir Sabbatmitglieder vorgestellt
habe.
„Was
willst du also mit mir besprechen, Alfred?”. Dass ich ihn beim
Vornamen nennen soll, macht diese Angelegenheit unangenehm vertraut.
„Fangen
wir doch erst einmal sachte an. Hast du Angst vor mir?”.
„Nein,
eigentlich nicht. Aber Vorbehalte.”.
„Vorbehalte.
Hmm, nett gesagt für jemanden, der die Flagge der Camarilla so hoch
hält. Ich meine, dein Gebäude in London strahlt ja meilenweit deine
Prinzipien in die Welt.”.
„Was
hat meine Firma damit zu tun?”.
„Och,
nicht viel. Nur, dass wenn du nicht so reich wärst, du sicher nie
Teil von dem geworden wärst, was du jetzt bist.”.
„Was
bin ich denn?”.
„Ein
blasierter und arroganter Typ, der denkt, er wüsste alles besser.”.
Ich schnaube leise verächtlich.
„Du
holst mich hierher, nur um mich zu beleidigen?”.
„Du
könntest auch ein blasierter und arroganter Typ sein, der wirklich
mehr weiß.”. Ich sehe ihn nur stumm an.
„Was
weißt du vom Sabbat, Melville? Hand aufs Herz.”.
„Ihr
seid mordlustige und grausame Wesen, die ihr Dasein damit verbringen,
andere zu vernichten und die Camarilla zu schwächen. Ihr seid der
Feind.”.
„Schön
auswendig gelernt... oder eigene Erfahrungen gemacht?”.
„Man
muss nicht immer jeden Fehler selber machen.“, antworte ich
nüchtern.
„Da
hast du sicher Recht, aber eine Meinung sollte man sich auf der
Grundlage von Erfahrungen bilden und nicht von anderen übernehmen.”.
„Wenn
das eine Art Kaltakquise werden soll, muss ich dankend ablehnen.”.
„Du
redest ganz schön hochgestochen. Möchtest du nicht, dass man dich
immer versteht?”
„Kaltakquise
ist die unlautere Erstgewinnung von neuen Kunden.”.
„Ich
weiß, Melville. Danke für die Belehrung. Ich sage ja, blasiert und
arrogant.”.
„Also,
soll es das nun werden oder nicht? Denn ich habe wirklich kein
Interesse.”.
„Dann
würdest du gar nicht mit mir reden.“ und er grinst mich breit an.
Ich blicke etwas trotzig zur Seite. Doch leider hat er Recht, ich
sollte gar nicht mit ihm reden und jegliche Kooperation verweigern.
Schließlich würde dieser Kontakt sicher schon ausreichen, um meinen
gesicherten Platz in meinem Clan zu verlieren.
„Nun
ist es auch egal.“, antworte ich nur.
„Ist
es nicht komisch? Man stirbt, man erwacht. Erhält neue Fähigkeiten
und die Option ewiglich zu leben... und was tust du? Du entscheidest
dich für die Sieben-Tage-Arbeitswoche und einem engeren
Verhaltenskorsett als es einem als Mensch schon aufgezwungen wurde.
Es muss dich doch furchtbar anstrengen, die ganze Zeit so zu tun, als
ob du glücklich wärst.”.
„Woher
willst du wissen, ob ich glücklich bin oder nicht?”.
„Och,
ich habe da so meine Möglichkeiten.“ und er grinst vieldeutig.
„Es
ist ja nicht so, als ob wir euch nicht ein wenig im Auge behalten
würden. Was ihr da so treibt in London,
Weitere Kostenlose Bücher