Melville
verurteilt. Es tat immer so weh, deine strafenden Blicke
ertragen zu müssen. Heimlich ein Doppelleben zu führen und immer
wieder an den Grenzen der Camarilla aufzuschlagen.”. Ich rede ganz
ruhig, ganz sachlich. Meine eigenen Erkenntnisse überraschen mich
selbst und endlich kann ich alles ganz frei berichten, ihm sagen, wie
ich empfinde.
„Du
bist fort und ich werde nicht mehr trauern. Nicht mehr krampfartig
deinen Tod beweinen, ein Tod, vollführt durch deinen eigenen Clan.
Du hättest es wissen müssen, Benedict, doch stattdessen hast du
dich märtyrerhaft der Gefahr ausgesetzt. Ein deutliches Zeichen
dafür, wie überheblich du eigentlich warst. Du hast mich nicht um
Hilfe gebeten, denn im Grunde warst auch du nur in den Gefühlen
deinem Erzeuger gegenüber gefangen. Wolltest nicht begreifen, nicht
verstehen. Ich will und werde nicht so enden wie du. Ich werde meine
eigenen Wege gehen. Ein Leben in dem dein Ruf mir nicht vorauseilt.
Es wird Zeit, Benedict. Ich habe es jetzt endlich verstanden und ich
werde frei und mit erhobenem Haupt hinaustreten aus deinem Schatten.
Und dies ist das letzte Mal, dass ich mit dir spreche oder von dir
Kenntnis nehme. Du bist Asche, Asche auf meinem Weg, der mir bestimmt
ist. Ich bin Melville Lancaster, Ventrue Antitribu und stolzes
Mitglied des Sabbats.”. Und mit diesen Worten erhebe ich mich von
meinem Stuhl, blicke ihm noch einmal fest in die tiefen Augen und
gehe dann davon. Lasse ihn zurück, wie ich es sicher schon lange
hätte tun sollen. Ich trete aus dem hellen Licht hinaus und gehe
hinein in die Finsternis. Ich gehe nach Hause.
Langsam
öffnen sich meine Augenlider. Ich liege in meiner Zelle, neben mir
Sergej, den Pflock in der Hand und bereit ihn in mich zu treiben.
Sophia sitzt auf einem Stuhl an der Wand. Als sie erkennt, dass ich
erwache, sieht sie mich kontrollierend an.
„Sophia...“,
sage ich nur leise. Ich hebe die Hände als Zeichen für Sergej, dass
ich nichts Schlimmes im Sinn habe. Er lässt seine angespannte
Körperhaltung dennoch nicht fallen.
„Ja,
Melville?”, fragt sie mit fester Stimme nach.
„Sophia,
es tut mir leid. Ich weiß, ich habe schreckliche Dinge getan... und
gesagt. Bitte verzeihe mir.”. Mit einer Handbewegung deutet sie
Sergej, von meiner Seite zu weichen. Er macht für sie Platz.
Vorsichtig erhebe ich meinen Oberkörper und setze mich auf.
„Das
warst nicht du.”.
„Doch...
doch Sophia, das war auch ich.”, flüstere ich ihr zu.
„Es
lebt in mir, der Hass, die blinde Wut, doch ich habe jetzt begriffen,
wie ich damit umzugehen habe. Aber gerade weil es auch ein Teil von
mir ist, bitte ich dich inständig
mir zu verzeihen.”. Endlich traue ich mich ihr in die
Augen zu sehen.
„Ich
verzeihe dir, Melville.”. Ich lächle dankbar. Sie reicht mir die
Hand, damit ich mich erheben kann. Und kaum stehe ich, nimmt sie mich
in den Arm. Es ist ihr egal, ob Sergej anwesend ist, sie will mir
zeigen, dass sie Angst um mich hatte. Ich erwidere ihre Umarmung und
atme hoffnungsvoll ihren zarten Duft ein und spüre ihren weichen
Körper unter meinen Händen.
„Komm,
Melville, Alexej muss dich noch sprechen.“.
„Bitte,
nur noch einen kurzen Augenblick.”. Sie lässt mich gewähren, doch
Sergej weicht nicht von unserer Seite. Dann greift sie nach meiner
Hand und führt mich hinaus. Ich fühle mich gut. Sie ist meine
Bischöfin, meine Geliebte. Die Einzige, der ich mich unterordne,
sonst, dass weiß ich genau, bin ich derjenige der die Fäden meines
Schicksals in der Hand hält und bestimmt, wo es lang geht. Ich freue
mich auf meine Zukunft. Meine innere Stimme wird mich leiten und ich
werde folgen.
Zuckerbrot und Peitsche
Alexej
hatte nur einen kurzen Blick auf mich geworfen, gelächelt und die
Heimreise angetreten. Ein komischer Kauz, aber im Endeffekt hat er
mich zum Ziel geführt oder besser gesagt, er hat mich in das Ziel
geschmissen.
Schnell
werde ich an meine neuen Aufgaben herangeführt. Sophia hat bereits
ein dreiköpfiges Wirtschaftsteam von Kainiten, dennoch möchte sie,
dass ich sie anleite und überwache. Sie selbst langweilen diese
Themen zu sehr, aber es ist eine Frage der Ehre, sich nicht über den
Tisch ziehen zu lassen. Ich erhalte mein eigenes Büro im Haus und
die Drei liefern regelmäßig persönlich Rapport bei mir ab. Es
dauert zwar eine Weile, bis mir sämtliche Strukturen und
Finanzbeziehungen von Sophia bewusst sind, aber ich habe in London
härter gearbeitet als jetzt. Sie besitzt ein fein
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