Melville
her.
„Diese verdammten, verweichlichten Heuchler. Diese ‘Ja’-Sager und Bücklinge. Es wird Zeit, dass diese, seit Jahrhunderten festsitzenden Domänen endlich verstehen und vor allem spüren, dass die Zeiten sich ändern. Nur weil die Ventrue gerne Handeln, heißt das nicht, dass wir auf die Bankenstadt verzichten oder sie akzeptieren müssen. Nur weil Wiesbaden noch nie eine Diözese hatte, heißt das nicht, dass wir das ewig tolerieren. Sie müssen eines Besseren belehrt werden. Koste es, was es wolle.”. Und es wird mir bei ihren Worten etwas bang ums Herz. Dieser kriegerische, hassende Teil in Sophia war mir bis jetzt nicht so recht bewusst. Und insgeheim frage ich mich, wie sie, bei all ihrem Hass, mich überhaupt lieben kann. Ich denke diese Frage lieber nicht zu Ende. Und sie merkt, dass meine Hand zum Erliegen kommt und ich aufhöre sie zu berühren, nur stumm da liege und über ihre Worte nachdenke.
„Du wirst doch kein Mitleid für sie empfinden, oder?“, fragt sie mich unerwartet angriffslustig.
„Nein, natürlich nicht. Ich will das Frankfurt uns gehört. Uns allein. Und sollten alle Mitglieder der Frankfurter Domäne dabei sterben, soll es mir recht sein.“, antworte ich ehrlich. Sie sieht mich nur an und schließt dann wieder die Augen. Ich drücke sie etwas fester an mich, ich mache mir Sorgen um sie. Krieg in unserer Welt nimmt keine Rücksicht, auf niemanden.
Maikäfer flieg…
Ich
trete gerade mit Gregori aus seinen Räumlichkeiten, über einen
makabren Witz von ihm lachend und in Gedanken weit fort von den
Schlachtfeldern die dort draußen, abseits von menschlichen Augen
toben. Da bleibt er plötzlich abrupt stehen und greift an meine
Schulter, um mich auch zum Stehenbleiben zu ermahnen.
„Was?“,
frage ich immer noch lachend. Er deutet nur mit einem Kopfnicken
Richtung Empfangszimmer und dort sehe ich sie sitzen. Ein kleines
Mädchen, rotblondes, lockiges Haar, in ihrem gelben Kleidchen und
die Füße frei in der Luft baumelnd. Ihr Anblick ist in diesem Haus
so falsch, einfach verstörend. Sie scheint uns nicht zu bemerken,
deutlich sieht man die Sommersprossen auf ihren scheinbar gut
durchbluteten Wangen und ich sehe sie atmen.
„Wer
ist das?“, frage ich Gregori nervös.
„Keine
Ahnung? Vielleicht für Elinas Rituale?“. Ich sehe ihn zweifelnd
an, es wäre mir neu, dass sich Elina Kinder in das Haus bestellt, um
sie anschließend zu verwerten.
„Nein,
das denke ich weniger.“.
„Naja,
die Wachen haben sie reingelassen, ich glaube nicht, dass sie
eingebrochen ist.“ und er stößt kurz amüsiert über die
Vorstellung, sie könnte sich mit Gewalt Zutritt verschafft haben,
Luft durch die Nase aus.
„Aber
sie sitzt da ganz alleine. Das geht doch nicht.“.
„Oh,
bekommst du väterliche Gefühle?“, er drückt mit seinem
Ellenbogen in meine Seite.
„Ach,
Blödsinn. Mir geht es eher darum, dass sie nicht so unbeobachtet im
Haus sein sollte. Wer weiß, wer oder was sie ist.“.
„Naja,
ich würde vom Anblick her ja sagen, dass sie ein Menschenkind ist,
Melville. Das wäre dann also dein Gebiet. Viel Spaß. Und wenn du
Hilfe brauchst, ich bin in meiner Werkstatt.“. Ich will gerade
protestieren, da dreht er sich auch schon um und verschwindet wieder
in seinen Bereichen. Na wunderbar. Ein Kind.
„Hast
du dich verlaufen?“, ich versuche mit möglichst harmloser Stimme
und unbedrohlich wirkend auf sie zu zugehen. Der kleine abgenutzte
Teddybär an ihrer Seite fällt mir auf. Sie sieht mich an, beendet
das Schaukeln ihrer Beine und mustert mich mit großen, neugierigen
Augen. Aber sie antwortet nicht.
„Ob
du dich verlaufen hast, Kleines?“, frage ich noch einmal lauter.
Sie neigt ihren Kopf etwas zur Seite und sagt dann mit glockenheller
Mädchenstimme
„Nein,
ich warte hier.“.
„Auf
wen wartest du denn?“. Ich höre, wie sich ihr Brustkorb hebt und
senkt, wie das Blut sie durchströmt. Welche Wache hat sie nur
hereingelassen?
„Das
darf ich nicht sagen. Du bist ein Fremder.“. Dann blickt sie an mir
vorbei und ihre Füße setzen sich wieder in Bewegung. Ihr Anblick
erheitert mich etwas und ich fühle mich dazu verleitet, mich neben
sie zu setzen.
„Eigentlich
bist du fremd, ich wohne nämlich hier.“.
„Ich
weiß.“. Ich sehe sie überrascht an und überlege, wie ich weiter
vorgehen soll.
„Ist
es nicht schon etwas spät für ein kleines Mädchen wie dich?“.
Sie dreht ihren Kopf wieder zu mir, kichert leise und lächelt
herzerweichend.
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