Melville
damit?“.
„Er träumt immer noch von Jonas, wacht schwitzend und stumm schreiend auf.“. Sie sagt es ganz nüchtern.
„Wer ist Jonas?“. Ich kann mich nicht erinnern.
„Weiß auch nicht, so ein dünner Schönling, ich glaube, du hast ihm etwas angetan.“. Und da erinnere ich mich wieder. Ja, Jonas. Und ein sanftes, zufriedenes Lächeln legt sich auf meine Lippen. Und ich weiß, dass James sich nach mir um ihn kümmern sollte.
„Und warum hat er Alpträume?“.
„Er hat sich für dich geopfert, um deinen Müll zu entsorgen, aber es war wohl nicht leicht für ihn.“. Ich habe James danach nie gefragt, wie er sich um mein Opfer gekümmert hat.
„James kann dir ja nichts antun, aber er kann sich etwas antun, um der Sache zu entfliehen.“.
„Willst du damit sagen, dass mein Butler den Freitod sucht, um nicht mehr seinen Verpflichtungen nachkommen zu müssen?“. Ich kann es nicht fassen.
„Er hat mich auf dem Dachboden nicht gesehen, geweint hat er, so traurig. Und ich habe mich ein bißchen in seinem Kopf umgesehen… sehr lustig dieses Chaos.“. Ich kann nicht zulassen, dass James eventuell seinem Wunsch anderweitig nachkommt. Ich werde mit ihm reden müssen. Ich kann ihm diesen Schritt nicht gestatten.
„Du ergötzt dich an den verwirrten Zuständen anderer?“.
„Es ist faszinierend. Wenn du es so sehen könntest wie ich, würdest du auch Zaungast spielen. Aber lieber hätte ich ihn dort hängen sehen, ist schon eine Weile her… Menschen, die sich dazu entschließen und es auch zu Ende bringen. Der menschliche Tod ist eine Gabe, die wir nicht mehr haben, Melville, das ist doch beobachtungswert.“.
„Findest du?“, ihre Worte erschüttern mich ein wenig. Wahrscheinlich hat sie vorhin auch wegen ihrer Todesneugier die zwei Leichen in der Halle so bestaunt.
„Ja, aber zu etwas ganz anderem. Du solltest auf deine Worte und Taten mehr achten.“. Ich seufze kurz etwas auf.
„Und was meinst du damit schon wieder?“.
„Du bist ein Frischling im Sabbat und einem Rudel in die Arbeit zu pfuschen, während sie Camarillagebiete reinigt, macht sich nicht besonders.“.
„Es ging mir nicht um ihre Rettung, sondern um ihren möglichen Nutzen.“.
„Ja, ja, dass kannst du deiner Großmutter erzählen. Aber Sophia wird nicht begeistert sein.“.
„Ich denke doch, dass ich ihr die Umstände erläutern kann.“.
„Jedenfalls ist dein Freund aus dem Rudel eben etwas negativ aufmerksam auf dich geworden. Vielleicht solltest du, um deine Position zu stärken, über eine aussagekräftige Geste nachdenken.“.
„Und wie sollte die deiner Meinung nach aussehen?“.
„Ich weiß nicht.“. Sie kräuselt die Stirn und nimmt eine nachdenkliche Pose ein. Und mit erfreutem Gesichtsausdruck antwortet sie
„Du könntest dich zur Erstürmung des Elysiums freiwillig melden. Du könntest sagen, dass du wichtige Personen wiedererkennen kannst und somit Druckmittel am Leben lässt. Für spätere Zwecke.“. Auch wenn ihr Plan durchaus logisch, wenn nicht sogar ausgezeichnet gut ist, bin ich von dem Vorschlag nicht begeistert.
„Du rätst mir, mich in die Frontkämpfe einzubringen?“.
„Das würde die Gerüchte entkräften.“.
„Welche Gerüchte, bitte?“.
„Na, die kannst du dir doch selber denken.“. Mein Gesicht verzieht sich etwas beleidigt, als ich über die Vorurteile zu meiner Person nachdenke. Ein junger Wechsler, im Grunde ein Verräter. Jetzt an der Seite der Erzbischöfin und vielleicht nur wegen der Annehmlichkeiten beim Sabbat.
„Ich stehe voll und ganz hinter dem Sabbat!“, sage ich bestimmt.
„Schön, dann zeig es doch auch.“. Ich grummle nur leise, muss aber eingestehen, dass sie Recht haben könnte.
Zwei Nächte später findet ein Treffen der Diözese, die Versammlung von der Farold sprach, in einem der vielen großen Seminarzentren Frankfurts statt. Die Gemeinde muss über den aktuellen Stand informiert und die Vaulderie zum Einverleiben der neuen Mitglieder vollzogen werden.
Mir ist heute Nacht eigentlich nicht besonders nach kultureller Vielfalt und Smalltalk zumute und dementsprechend schweigsam bin ich auch. Ich vermisse die zarten Momente mit Sophia, doch die paar Minuten, die wir nachts für uns haben wirken unangenehm angespannt. Ich versuche sie zu streicheln und zu liebkosen, doch sie scheint zurzeit unnahbar zu sein, sicher gehen ihr viele ablenkende Dinge durch den Kopf.
Ich sitze in der uns zugewiesenen Reihe, viele neue und vor allem fremde
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