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Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Titel: Melvin, mein Hund und die russischen Gurken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
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»Carola, er ist alt genug. Lass Hendrik das entscheiden.« Mama seufzt. Onkel Peter holt den Autoschlüssel.
    Ich hatte mir einen gefliesten Raum vorgestellt, mit Kühlfächern aus Edelstahl, so wie bei CSI. Aber so ist es nicht. Der Raum ist weiß gestrichen und in der Mitte steht der offene Sarg.
    »Kann ich mit ihm allein sein? Bitte?« Kurz drückt Onkel Peter meinen Kopf gegen seine Schulter. Er riecht traurig. Dann verlässt er den Raum und ich bin allein mit dem, was mal mein Opa war.
    Für den Fall, dass er plötzlich die Zombie-Nummer macht und mich anspringt, bleibe ich in zwei Metern Entfernung zum Sarg stehen. Ist irgendwie schwierig, ihm ins Gesicht zu sehen. Deshalb starre ich auf seine Schuhe.
    Ich räuspere mich. Es klingt laut und fremd in der Sargstille. »Dass … dass ich dich nicht mehr besucht habe … war nicht okay, schätze ich. Tut mir leid.«
    Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Aber nichts passiert. Mein Blick löst sich von den Schuhen und schleicht langsam seine Beine und den Oberkörper hoch. Opa trägt einen Anzug, was bestimmt Onkel Peters Idee war. Ich find’s ziemlich verlogen, weil Opa früher nie Anzüge getragen hat und im Heim erst recht nicht. Da liegen seine Hände, über dem Bauch gefaltet. Die Hände, die Seemannsknoten gebunden haben, die Hände, von denen ich mal dachte, dass sie alles können. Die mir früher manchmal durchs Haar gewuschelt haben, freundlich, wie man seinen Hund oder sein Boot tätschelt.
    »Ich weiß, du willst dein Boot. Aber ich kann dich da schlecht hinschleppen, das wirst du doch wohl einsehen, oder?«
    Keine Ahnung, ob er das einsieht. Die Zombies aus meinen Computerspielen sind nicht besonders kompromissbereit.
    »Also ich … ich hab dir was mitgebracht, von Frieda.«
    Mein Blick tastet sich weiter. Und da ist es: sein Gesicht.
    Wer sagt, dass tote Menschen aussehen würden, als ob sie schliefen, lügt. Opa sieht nicht aus, als würde er schlafen. Aber er sieht auch nicht aus wie ein Zombie. Er sieht einfach aus wie tot.
    Früher mochte Opa es nicht, wenn ich auf seinem Boot zu viel quatschte. Manchmal war kein Wind da, nur Wasser um uns rum und ab und zu eine verirrte Möwe und eine große Stille, die sich über uns wölbte.
    So ist Opa jetzt. Eine große Stille.
    Ich spüre ein Ziehen in der Brust.
    Als sie die Frieda verkauft haben, hat Mama das Namensschild abgeschraubt, damit die feinen Pinkel nur irgendein Boot kriegen. Ich hab das Schild gefunden, ganz unten in der Schublade mit den Fotos.
    »Ich hoffe, dass du jetzt segeln kannst«, sage ich zu meinem toten Opa. »Dahin, wo du hinmusst.«
    Dann lege ich ihm das Schild auf die Brust, drehe mich um und gehe.

WAHRHEIT ODER PFLICHT
    Als die Flasche zum Stillstand kommt, zeigt sie auf ihn. Wahrheit oder Pflicht? Weil er es nicht mag, ausgefragt zu werden, sagt er: »Pflicht.«
    Jetzt stehen sie zusammen im Badezimmer und er betrachtet die Zahnbürsten ihrer Eltern, die in trauter Zweisamkeit in einem Becher stehen, daneben eine Dinozahnbürste, und – in einem Extrabecher – ihre Glitzerzahnbürste. Er ist sich sicher, dass sie ihren Freundinnen vor dem Spiel genaue Anweisungen gegeben hat. Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie beide hier landen.
    Er lehnt an der geschlossenen Badezimmertür, hört das gedämpfte Schwatzen und Lachen der anderen dahinter. »Und was jetzt?«, fragt er.
    »Du könntest mich küssen.« Irrt er sich oder ist Janina gerade ein bisschen rot geworden? Nein, das kann nicht sein.
    Janina, you’re so hot! Wish you make my body rock …
    Die Türen auf dem Schulklo wissen alles. Auf der Liste der schärfsten Mädchen der Schule rangiert sie auf Platz drei. Nach Rihanna und Ellie. Er stößt sich von der Badezimmertür ab.
    Janina macht beim Küssen die Augen zu. Sie sieht ganz anders aus, wenn das Blitzen ihrer blauen Augen weggeschlossen ist. Ihre Augenlider sind zart und durchscheinend. Im Schwimmunterricht läuft sie immer in diesem winzigen Bikini rum, aber irgendwie hat sie da weniger nackt ausgesehen als jetzt.
    Er sieht ihre beiden Gesichter im Badezimmerspiegel.
    Fabian W. + Janina B. = love
    Sind sie jetzt das neue Traumpaar? Janinas Zunge in seinem Mund. Müsste sich das nicht irgendwie anders anfühlen, wenn man mit dem drittschärfsten Mädchen der Schule rumknutscht? Fabian versucht sich zu konzentrieren.
    Wish you make my body rock …
    Plötzlich hämmert jemand von außen gegen die Badezimmertür: »Hey, ihr Turteltäubchen!

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