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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Truppen zu schicken und dem Skandal ein Ende zu machen. Nicht, daß ich unserer Regierung etwa den schuldigen Respekt versagen wollte ... Nein, Efendi, das sei ferne von mir! Aber ich muß mich doch fragen, warum geschieht nichts? Warum liefert man uns ein paar lumpigen Mordgesellen aus?«
    Nachdem die beiden Verwundeten in die Stadt gebracht worden waren und die Kunde von Memeds neuestem Abenteuer sich verbreitet hatte, verlor Abdi vollends den Kopf. Er verschmähte sein Mittagessen und fegte wie von Sinnen über den Basar. »Habe ich es nicht gesagt?« rief er jedem zu.
    Dann wankte er zu Tevfik, ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken und brütete stumpf vor sich hin. Plötzlich stand jemand neben ihm. Langsam hob er den schmerzenden Kopf
    »Der Bey wünscht Euch zu sehen«, sagte der Mann.
    Ali Safa Bey trat ihm an der Tür seines Hauses entgegen und ergriff seinen Arm. »Komm, mein Lieber! Du hast uns wohl ganz vergessen, wie?«
    Abdi starrte ihn aus blutunterlaufenen Augen an. »Habe ich es euch nicht gesagt?«
    Der Bey lächelte. »Komm erst mal herein, mein Bester. Wir wollen alles in Ruhe bereden.«
    Ächzend ließ Abdi sich auf den Diwan fallen. Die Schale Kaffee, die man ihm brachte, wäre ihm fast aus der zitternden Hand geglitten.
    Ali Safa Bey setzte sich neben ihn, streichelte ihm den Bart. »Aber mein lieber Abdi Aga! Willst du uns denn alle ruinieren mit deinen dauernden Eingaben? Am Ende schickt die Regierung noch die ganze Armee hierher! Es wäre doch ein Jammer, wenn der gute Ruf der Stadt zum Teufel ginge, nur weil in den Bergen zwei Strauchdiebe herumstrolchen!«
    Abdi Aga schüttelte den Kopf und stöhnte, aus tiefster Brust seufzend: »Du hast gut reden, mein Sohn! Aber mir geht es an den Kragen. Ich weiß nicht mehr ein noch aus. Mit meiner Gesundheit geht es bergab. Nicht, als ob ich den Tod fürchten würde - was mir so zu schaffen macht, ist die Ohnmacht der gewaltigen Obrigkeit gegenüber einem schmächtigen Bürschchen! Er verteilt meine Felder und sagt den Leuten, er habe mich lebendig verbrannt. Das frißt an einem, glaube mir nur! Morgen schon kann ein anderer daherkommen, der deine Felder verteilt, und so immer fort. Das ist es, was ich befürchte!«
    Ali Safa Bey klopfte ihm beschwichtigend auf die Schulter. »Nein, nein, Abdi Aga. So weit wird es nicht kommen, beruhige dich nur. Die werden ihrer Strafe schon nicht entgehen, verlaß dich darauf.«
    Abdis Augen blitzten; sein Gesicht rötete sich. »Heute gilt es mir, morgen dir! Was kümmern mich die anderen Räuber und Banditen? Aber dieser ist zu gefährlich. Wenn sich diese Ackerideen bei den Bauern festsetzen, kommt man nicht mehr dagegen an. Davor habe ich Furcht, nicht davor, umgebracht zu werden. Dieser Bursche muß sterben, sage ich dir, bevor noch ein weiterer Tag vergeht. Was der Kerl getan hat: weißt du denn, was das bedeutet? Du kennst doch das Sprichwort: ‚Dem Esel Appetit auf Melonenschalen beibringen.' Darum geht es hier! Vergiß es nicht. Selbst die Bauern von Vayvay betrachten ihn als ihren Schutzherren.«
    Ali Safa Bey lachte, noch immer nicht beeindruckt.
    »Ich verstehe schon, was du meinst. Aber mache dir keine Sorgen; bald wirst du seinen Kopf vor deiner Tür aufgepflanzt sehen. Wenn heute nicht, dann morgen. Sergeant Asim ist mit einer ganzen Abteilung unterwegs, und dazu der schwarze Ibrahim mit fünfzig Freiwilligen. Was die Gendarmen nicht fertigbringen, das schafft Ibrahim, dessen bin ich sicher. Er ist nicht umsonst ein alter erfahrener Bandit. Er kennt die Berge! ‚Schneidet dem Kerl den Kopf ab', habe ich ihm gesagt, ‚steckt ihn auf eine Stange und pflanzt ihn vor Abdi Agas Haus auf'. Und das tut er, darauf kannst du dich verlassen. Du kennst doch Ibrahim den Schwarzen?«
    Abdi atmete erleichtert auf. Er schöpfte neue Hoffnung.
    »Gebe es Gott! Zu ihm habe ich Vertrauen ... Ali - und Vayvay? Wie steht es damit?«
    »Nicht gut, seit der Verzinner tot ist - sie haben keine Angst mehr.«
    »Nun, wenn er erst aus dein Wege geräumt ist ... «
    »Das wird geschehen, und zwar bald!« schloß Ali Safa Bey das Gespräch.

27
    Für die Bauern waren schlimme Tage angebrochen. Die zu Memeds Verfolgung ausgesandten Gendarmen waren keine geringere Plage als die brutalsten Banditen. »Bringt Ince Memed lebend oder tot, und wehe euch, wenn ihr ohne ihn zurückkommt«, lautete ihr Befehl. Die Folge war, daß kaum einer in den Bergdörfern, ob jung oder alt, von ihren unbarmherzigen Stockschlägen verschont

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