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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Als Banditenfrau muß man etwas ertragen können. Laß das Heulen! Glaubst du, der Junge hat dich befreit, nur damit du ihm das Leben schwermachst?«
    »Hört zu«, keuchte Memed, »wenn wir hier bleiben, sind wir verloren. Wir müssen alle unsere Kräfte aufbieten und bis zum Alidağ hinaufklettern. Ein anderer Ausweg bleibt uns nicht. Wir haben Mundvorrat für eine Woche. In zwei Tagen können wir oben sein. Ich weiß einen Platz, wo wir uns bequem einrichten können. Niemand sonst kennt ihn. Ich habe ihn auch nur gefunden, weil einmal ein angeschossener Hirsch dahin geflüchtet ist. Dort oben können wir unser ganzes Leben ungestört zubringen!«
    »Nicht unser ganzes Leben«, wandte Hatçe ein, »nur die Zeit bis zur Amnestie. Sie kommt nächstes Jahr, zum Jahrestag unserer Regierung.«
    »Amnestie?« Memed war verblüfft. »Aber diese Sache muß ich erst noch hinter mich bringen ... « Er verstummte. »Dann muß ich es eben vorher schaffen.«
    »Das mußt du«, sagte Hatçe. »Und mag Abdi sich verkriechen, wohin er will! Du wirst ihn finden.«
    »Das werde ich! Nun laßt uns aber aufbrechen.«
    Die Nacht war sternenhell und kalt. Das ganze Firmament schien mit einer schimmernden Eisschicht überzogen. Wenn sie die Zweige streiften, tropfte die Nässe auf sie nieder. Hatçe biß die Zähne zusammen. Iraz' Vorwürfe hatten ihre Wirkung getan. Sie traten vorsichtig auf, um sich nicht zu verraten.
    Bei Tagesanbruch lag der Berg von Çiçeklideresi hinter ihnen. Memed blickte Hatçe in die Augen. Iraz stieg mit schnellen Schritten weiter bergab und ließ die beiden zurück. Bald war sie zwischen den Felsen verschwunden.

28
    Das schwierigste Stück ihrer Wanderung war der Aufstieg auf den Gipfel. Das Felsgestein schnitt ihnen in Hände und Füße. Ganz unten in der Tiefe, zwischen den Wolken hindurch, sahen sie die handtellergroße Distelplatte liegen. Ihre fünf Dörfer waren als kleine Punkte zu erkennen.
    Es schwindelte den Flüchtigen, als sie am Fuß der steilen Wand angelangt waren, die zur Höhle führte. Memed traute sich selbst zu, an ihr hinaufzuklettern und wieder hinunter. Wie aber sollten die Frauen das schaffen?
    »Wartet hier«, sagte er. »Ich bringe erst unser Gepäck in die Höhle, dann hole ich euch.« Die Frauen staunten über die Leichtigkeit, mit der er auf dem glatten Felsstück nach oben klomm.
    Nach einer halben Stunde kehrte er glückstrahlend zurück. »Besser und sicherer als ein Haus! Gleich daneben sind Adlernester. Wir haben die Adler als Nachbarn.« Er zog Hatçe an der Hand hoch. »Komm du zuerst. Tante Iraz soll hier auf mich warten. Ich bringe dich den Adlern zum Opfer!«
    »Muß ich diese Wand dort hinauf?« fragte Hatçe beklommen. »Die Wand braucht dich nicht zu schrecken. Du hältst dich an mir fest! Vorwärts!«
    Sie kletterten hinauf Zweimal wurde Hatçe schwindlig, und sie schrie auf. Memed fuhr sie heftig an. Iraz machte sich allein an den Aufstieg, ohne auf Memed zu warten. Sie hatte Angst, aber als Memed sich umwandte, sah er sie schon auf der obersten Felsplatte stehen.
    »Tante Iraz! Du bist wohl schon als Bandit auf die Welt gekommen?«
    »Wird wohl so sein«, lachte sie.
    Der Eingang zur Höhle war gerade so groß, daß sie einschlüpfen
    konnten. Sie war tief und langgestreckt, der mehlweiche, kohlenstaubschwarze Boden über und über mit Vogelmist bedeckt; die Höhlenwände zeigten weiße Gesteinsadern.
    »Hierhin ist noch nie ein Mensch gekommen«, sagte Memed.
    »Um so besser«, meinte Iraz.
    Hatçe hatte Freudentränen in den Augen. »Jetzt wollen wir unser neues Heim erst einmal saubermachen!«
    »Ich gehe jetzt ins Dorf hinunter. Die Pistole lasse ich euch hier. Braucht ihr noch etwas für die Einrichtung?«
    »Einen Spiegel ... «, sagte Hatçe.
    Iraz lachte. »Was diese jungen Dinger immer im Sinn haben.«
    »Wart nur! Wir brauchen zwei Matratzen, zwei Schlafdecken, ein Trinkglas, einen Kochtopf, ein Eisenblech, Mehl und dazu gute Gesundheit. Den Rest weißt du selber!«
    Um Mitternacht stand er vor Durmuş Alis Haus. Die alte Frau öffnete. »Still«, flüsterte sie erschrocken, als sie Memed vor sich sah. Leise trat er ins Haus. »Was ist denn, Mutter Hürü?«
    Die Alte zündete einen Span an, schloß sorgfältig alle Fenster, verließ den Raum und ging ums Haus herum. Erst nachdem sie sich überzeugt hatte, daß niemand in der Nähe war, flüsterte sie: »Wie kannst du nur hierherkommen, Junge! Das ganze Dorf steckt voller Gendarmen! Deinen Onkel haben

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