Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
heraus, Freedle flattert über ihrem Kopf. Sie lässt die Musik in die Kälte hinaufschweben, bis die Spieluhr allmählich abläuft, langsamer und langsamer wird und verstummt.
Lyda schiebt die Spieluhr in die Grube – und holt sie wieder heraus, um sie noch einmal aufzuziehen. Aber diesmal öffnet sie den Deckel nicht. Sollte die Spieluhr eines Tages gefunden werden, will Lyda, dass sie für ihren Entdecker musiziert. Dafür wurde sie geschaffen. Vielleicht wird sie vor lauter Rost schon nicht mehr funktionieren, aber Lyda will ihr zumindest eine Chance geben.
Freedle landet neben ihr auf dem Boden. Versucht Lyda, mit der Spieluhr auch Partridge zu begraben? Nein. Das kann sie gar nicht. Er ist immer noch bei ihr, egal was passiert. Einen Teil von ihm wird sie für immer bewahren.
Doch mit der Spieluhr beerdigt sie ihre Hoffnung, dass er irgendwann zu ihr zurückkehren wird. Sie kann so nicht leben. Sie muss sich an die Vorstellung gewöhnen, dass sie allein für sich und ihr Kind kämpfen muss. Dass sie es schaffen wird, allein.
Lyda drückt die Spieluhr tief in die Grube, bedeckt sie mit Erdklumpen, streicht die Erde glatt und klopft sie mit dem Schaufelblatt fest.
PARTRIDGE
Sieben einfache Wahrheiten
»Eigentlich sollte ich dich vor deiner Tür abliefern«, sagt Partridge, »wenn wir das Ganze schon streng nach Tradition erledigen wollen.«
»Und dann küssen wir uns auf der erleuchteten Veranda«, ergänzt Iralene. Sie stehen wieder im Flur, vor der abgesperrten Tür seines Zimmers. Iralene hält ihm den Schlüssel hin und betrachtet ihn erwartungsvoll.
Partridge stopft die Hände in die Taschen, um ihr klarzumachen, dass sie nichts zu erwarten hat. »Ich frage mich, worauf der Raum diesmal eingestellt ist. Hast du eine Ahnung?«
Sie schiebt den Schlüssel ins Schloss. »Wenn er dir nicht gefällt, kann ich ihn deinen Wünschen anpassen.« Die Tür öffnet sich, doch bevor Partridge eintreten kann, fügt sie hinzu: »Das gilt auch für mich, Partridge. Ich kann mich ändern. Ich kann der Mensch sein, den du willst.«
»Iralene …«
»Danke übrigens.« Sie starrt auf ihre Hände. »Danke, dass du mitgemacht hast. Dass du vor den ganzen Leuten so getan hast, als ob du mich wirklich heiraten willst. Danke, Partridge, für alles. Ich weiß, dir hat der Abend nicht so viel bedeutet, aber mir …« Als sie ihn doch ansieht, lächelt sie. Ein zerbrechliches Lächeln.
»Und wo gehst du jetzt hin, Iralene? Schlafen?«
»Ich geh nach unten, Quatschkopf.«
»Unten? Unten ist eine Fata Morgana. Es ist nicht echt. Also wohin gehst du?«
»Das weißt du doch. Muss ich es auch noch aussprechen?« Sie lacht, als hätte sie einen Witz gerissen, als wäre das alles ein großer Spaß.
»Das ist nicht gut für dich. Das kann gar nicht gut sein.«
»Konservierung«, sagt sie, »ist der beste Weg zu einem langen Leben.«
»Träumst du eigentlich, wenn du in der Kapsel liegst? Nein, oder? Dein Gehirn wird viel zu stark abgebremst, wie deine ganzen anderen Zellen auch. Dadrin kannst du gar nicht träumen.«
»Also bittest du mich herein? Das würde ihnen gefallen. Selbst wenn du die Situation ausnutzt.«
»Ich würde die Situation nicht ausnutzen.«
»Aber wenn du nicht willst, dass ich in die Kapsel gehe, musst du mich wohl einladen, die Nacht bei dir zu verbringen.«
Partridge weiß nicht, was er sagen soll.
»Keine Sorge, Partridge. Ich bin es gewöhnt, angehalten zu sein. Ich gehöre zu den Glücklichen!« Er denkt an Mrs Hollenbacks Worte in der Küche: Wir Glücklichen. Wenn Iralene glücklich ist, wie geht es dann den Unglücklichen?
»Bleib«, sagt er.
Sie lächelt und neigt verschämt den Kopf. »Danke.«
Gemeinsam betreten sie ein rustikales Schlafzimmer mit Patchworkdecke auf dem Bett, ausgeblichenen Blumengardinen vorm Fenster und einem Blick auf eine Prärie im Mondlicht.
»Weißt du was?«, schlägt Iralene vor. »Ich kann die Kameras abschalten – wenn ich einen guten Grund habe.«
Partridges Augen zucken zu den Kameras, die oben in den Zimmerecken nisten, und zurück zu Iralene. Sie ist hübsch, das kann er nicht bestreiten. Doch er denkt nur an Lyda und spürt dabei jedes Mal denselben Schmerz. Seine Finger erinnern sich, wie sich ihre Haut angefühlt hat. Er darf den Glauben nicht verlieren, dass Arvin einen Plan hat, der ihn vor der morgigen Operation bewahren wird. Er darf Lyda nicht verlieren. Aber es wäre ihm tatsächlich lieber, wenn die Kameras aus wären – dann könnte er
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