Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
an der Wand. Zum Spülen drückt man keinen Knopf, sondern zieht eine Schnur.
Das Problem ist klar: Er kann den Zettel verstecken – aber woher soll er später wissen, dass er danach suchen muss?
Partridge studiert den Kasten an der Wand und die Schnur zum Spülen.
Er klappt den Klodeckel runter, stellt sich auf die Toilette und wirft einen Blick in den Kasten. Das Wasser steht bis zur Hälfte, und die Schnur hängt an einem Hebel, der mit einem Stöpsel am Grund des Kastens verbunden ist. Zieht man an der Schnur, hebt der Hebel den Stöpsel an, sodass das gesamte Wasser durch das Rohr in die Schüssel rauschen kann.
Wenn er die Schnur aushängt, funktioniert die Spülung nicht mehr. Er wird sie reparieren müssen, und so wird er wieder hier stehen, auf dem Klodeckel. Wenn er den Zettel zwischen Kasten und Wand klemmt, halb unter den Deckel gezwängt, sollte er auf den Boden fallen, sobald der Kasten erneut geöffnet wird.
Schnell faltet er den Zettel zu einer Ziehharmonika und schreibt auf die oberste Schicht: An: Partridge. Von: Partridge. Lies mich.
Als er die Schnur aushängt und den Zettel in die Lücke hinter dem Kasten steckt, fällt ihm auf, dass er irgendwie sicherstellen muss, dass er wieder in diesen Raum gelangt. Er braucht einen Plan. Doch er hat nicht mal eine Idee.
Und plötzlich hört er einen Schrei. Er rennt zurück ins Schlafzimmer. Iralene schlägt um sich und tritt mit den Beinen.
»Iralene! Wach auf!« Als er sie an den Schultern festhält, kratzt sie ihm über die Brust. »Iralene!«
Sie öffnet die Augen, schnappt nach Luft und blickt sich um wie ein Tier im Käfig, bis sie ihn endlich wahrnimmt. »Was … was ist mit uns?«
»Nichts«, flüstert er. »Es war nur ein schlechter Traum. Ein Albtraum.«
Sie schlingt ihm die Arme um den Hals und schmiegt sich an ihn. »Wir waren so klein. Wir waren auf einmal so klein, und sie hatten uns ganz vergessen. Ich wollte nach ihnen rufen. Ich wollte kämpfen und Hilfe holen, aber wir konnten nirgendwohin. Und wir waren so winzig, wie Püppchen in kleinen Plastikdosen.«
»Das ist nie passiert. Das war bloß ein Traum. Schhhh .« Er streicht ihr übers Haar. » Schhhh . Alles ist gut. Du musst wieder einschlafen.«
»Ist es wirklich wieder gut? Ganz sicher?«
»Es war nur ein Traum. Alles ist gut. Alles wird gut.« Partridge versucht, seinen eigenen Worten zu glauben. »Versprochen.«
»Bitte, halt mich fest.«
Er legt sich hin. Sie bettet den Kopf auf seine Brust und schiebt eine Hand zwischen die Knöpfe seines Hemds.
»Ich will, dass du dich an diesen Moment erinnerst«, sagt sie. »Dass du gut zu mir warst. Morgen, nach der Operation, werde ich dir davon erzählen. Wie lieb du warst.«
»Das ist mein Lieblingszimmer, Iralene, diese Version. Wenn du mich morgen an diesen Moment erinnerst, dann auf jeden Fall hier – nicht an einem Urlaubsort oder in einer Großstadt. Hier fühle ich mich zu Hause. Versprich mir, dass du den Raum wieder auf dieses Zimmer einstellst. Hier will ich leben. Ganz egal, was ich morgen sage, du sorgst dafür, dass wir hierher zurückkehren. In Ordnung?«
»Dieses Zimmer. Ich kümmere mich darum. Versprochen.« Sie streicht sein Hemd glatt und legt den Kopf wieder auf seine Brust. Bestimmt hört sie, wie laut sein Herz klopft. Sie sind am Leben, wach, in einem Gebäude voller angehaltener Körper, voller lebender Toter.
»Darf ich die Kameras wieder einschalten, Partridge? Ich fühle mich besser, wenn sie an sind. So behütet. Und ich will, dass die anderen sehen, wie wir hier liegen. Darf ich?«
»Ich mag die Kameras nicht, aber okay, machen wir eine Ausnahme.«
Sie greift übers Bett und drückt ein paar Schaltflächen auf dem kugelförmigen Gerät. Mit dem gewohnten Klicken fahren sich die Verschlüsse vor den Linsen ein. Wieder richten sich alle Augen auf Partridge.
PRESSIA
Sonnenwende
Endlich erwacht Pressia aus ihrem nervösen Schlaf. Durch die Schichten ihres Mantels und der beiden Wollpullover spürt sie, wie sich ihr gerundeter Rücken an einen warmen Körper schmiegt. Schnell dreht sie sich um.
Bradwell schläft tief und fest. Sie ist richtig schockiert, wie groß er ist – als hätte sie in ihrem Bett einen wunderschönen Bären gefunden. Aber sie liegt nicht im Bett. Sie liegt unter einer gemauerten Unterführung. Es gibt Märchen über Bären und Betten, erinnert sie sich, aber wie gingen sie genau? Sie weiß es nicht. Bradwells Rippen heben und senken sich langsam. Sie sind beide
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