Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
nicht gut? Kommt er deswegen nicht persönlich?
»In ein paar Tagen«, sagt sein Vater, »musst du dich wieder im Krankenhaus melden. Die Ärzte können noch ein paar Versuche unternehmen, einige deiner …« Er zögert, ehe er sich doch für seine übliche klinische Ausdrucksweise entscheidet. »… deiner Synapsen wieder zum Feuern zu bewegen. Nach dieser Bergungsaktion werde ich dich zu mir rufen, mein Sohn, und Großes von dir verlangen – Führungsqualitäten. Hiermit mache ich es offiziell.« Eine Pause entsteht, eine Kunstpause wie bei einer öffentlichen Ansprache – sein Vater nähert sich einer wichtigen Bekanntmachung. Partridges Eingeweide ziehen sich zusammen, als würde er mit einem Schlag in die Magengrube rechnen. »Du wirst mein Nachfolger sein. Ich kann das Kapitol nicht ewig führen. Ich muss allmählich Teile meiner Macht abgeben. Und an wen, wenn nicht an dich?«
Partridge verschlägt es die Sprache. In seinem Inneren brennt noch immer blanker Hass, doch er hat die Orientierung verloren, als würde das Zimmer schwerelos durch Raum und Zeit schweben. Sein Vater will ihn zum Thronfolger machen? Nichts ergibt noch Sinn – weder die Worte seines Vaters noch dieses Zimmer mit seinen wallenden Vorhängen noch das Mädchen, das ihn mit großen Augen ansieht.
»Ich schätze, du befindest dich in Iralenes Gesellschaft?«, tönt die Stimme seines Vaters vom Band. »Hört mir zu. In den nächsten Tagen habt ihr beide mal ein bisschen Spaß. Das ist ein Befehl. Die Zukunft naht, und sie naht schnell.«
Damit endet die Nachricht. Iralene sieht ihn an, den Handheld in den verkrampften Händen. »Partridge?«, flüstert sie.
Er schlägt auf die Matratze, so fest er kann – und ist überrascht von seiner eigenen Kraft. Iralene zuckt zusammen und scheint für eine Sekunde zu erstarren.
»Das macht keinen Sinn!«, ruft er. Wieder schießt ihm der Schmerz durch den Schädel. »Mein Vater schämt sich für mich. Das weiß ich ausnahmsweise ganz genau. Ich wusste es schon immer.«
»Er liebt dich«, flüstert Iralene.
»Du hast keine Ahnung von mir und meinem Vater.«
»Doch.« Sie rückt etwas näher an ihn heran. »Doch. Vielleicht wollte er nur nie zugeben, wie sehr er dich braucht. Vielleicht wollte er dich nicht mit deiner Zukunft belasten. Aber jetzt braucht er dich. Er ist …«
»Er ist krank, oder? Stirbt er?«
»Nein, nein, bestimmt nicht«, sagt Iralene schnell. »Es geht ihm nicht so gut, aber das wird schon wieder. Aber ich glaube, irgendwann wird auch er sterben. Und wen hat er schon außer dir?«
Partridge lässt die Augen durch den Raum schweifen. Er weiß nicht, wie er Iralene widersprechen soll. Er hat seinen Vater noch nie verstanden. Vielleicht hat sie ja recht? Sedge ist tot. Nur Partridge ist seinem Vater geblieben.
»Aber jetzt musst du dich ausruhen«, sagt sie. »Damit wir Spaß haben können. Das war doch ein Befehl, oder?«
»Glaube ja.«
Als Iralene aufsteht und zur Tür geht, blickt Partridge wieder auf den Ventilator über seinem Kopf. Ventilatorblätter . Einen Moment lang kommen sie ihm vor wie scharfe Stahlklingen, die ihn in Stücke hacken könnten. Woher kommen diese Gedanken nur?
Partridge beobachtet Iralene, wie sie in den Sonnenstrahlen steht, die durchs Fenster fallen – ist das echte Nachmittagssonne? Er hört das an- und abschwellende Rollen großer Wellen.
»Ist das … das Meer?«
»Du kannst es dir wie ein Nachtlicht vorstellen«, erklärt Iralene, »das dein Vater nur für dich gemacht hat.«
Nur für ihn? Das passt nicht zu seinem Vater. Das hätte zu seiner Mutter gepasst. Er sieht sie vor sich, wie sie am Strand steht, in ein Handtuch gewickelt, an dem der Wind zerrt – eine alte Erinnerung. Partridge ist froh, dass dieses Bild nicht aus seinem Kopf verschwunden ist. Er denkt über seine Mutter, wie er immer über sie gedacht hat: Sie ist als Heilige gestorben. Doch kaum kommt ihm dieser Gedanke in den Sinn, kehren die letzten Worte zurück, an die er sich vor dem Koma erinnert. Worte, die nichts mit einem Schlittschuhrennen auf einer künstlichen Eisbahn in der kühlen Turnhalle zu tun haben. Sondern Glassings’ Stimme, die in einem stickigen Klassenzimmer über alte Kulturen und Totenrituale doziert: Eine großartige Barbarei.
LYDA
Wissen
Mutter Egan tritt ein. Sie bringt einen Teller mit Lauch, Kartoffeln und zartem Fleisch und ein Glas mit einer rosa schimmernden Flüssigkeit. »Auf«, flüstert sie sanft. »Auf.«
Lyda ist an
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