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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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weiß nicht, Lyda …«, antwortet Mutter Hestra.
    Lyda muss ihnen sagen, was hier vorgeht. Vielleicht wissen sie, wie man dem ganzen Wahnsinn ein Ende setzen kann? Sie spürt, dass ihr die Tränen kommen. »Das Kapitol … ihr kennt es doch gar nicht. Ihr habt keine Ahnung, was für Ausrüstung es hat, wie mächtig es ist. Ihr redet von Krieg und Tod und wisst überhaupt nicht … Das gibt ein Blutbad. Begreifst du das?«
    Lächelnd schüttelt Mutter Hestra den Kopf. »Wir greifen nicht das Kapitol an. Wir greifen die Toten an, die Männer, unter denen wir jahrelang zu leiden hatten, bevor die Bomben auf uns herabgeregnet sind. Die Männer, die uns vernichtet und verlassen haben. Ob du willst oder nicht, du stehst für alle verlassenen Frauen. Du bist wir alle, dein Kind ist all unsere Kinder.«
    »Ich will für gar nichts stehen.«
    »Manchmal hat man keine Wahl.«
    »Versprich mir, dass du wenigstens versuchen wirst, meine Freunde zu finden. Bitte«, bettelt Lyda. »Bitte, versuch’s wenigstens.«
    Mutter Hestra streicht Syden über das Haar. »Mal sehen. Ich kann dir nichts versprechen.«

PRESSIA
Erleuchtet
    Dunkler Himmel. Von Zeit zu Zeit ruft El Capitán durch die offene Cockpittür, um ihnen mitzuteilen, wo sie sich gerade befinden. Seine Stimme klingt auffällig selbstbewusst und, was am merkwürdigsten ist, glücklich. Glücklich wie noch nie, soweit Pressia sich erinnern kann. Er hat sie über die Gesamtlänge der Strecke informiert – 2910 Seemeilen – und vorgerechnet, dass sie je nach Windrichtung und maximaler Fluggeschwindigkeit zwischen fünfunddreißig und sechsundfünfzig Stunden brauchen werden.
    Inzwischen haben sie Baltimore, das obere Ende der Chesapeake Bay, Philadelphia, New York City, Cape Ann, den Golf von Maine, Prince Edward Island und den Sankt-Lorenz-Golf passiert. Pressia wünschte, es wäre hell, sodass sie all das sehen könnte – stattdessen malt sie sich geplättete und geborstene Städte, Schnellstraßen und Häfen aus, und natürlich streunende Bestien und Dusts.
    Im Maschinenraum des Luftschiffs ist es nie still. Pumpen zischen und pulsieren. »Wie war es in diesen Städten im Davor?«, fragt sie Bradwell, der neben ihr sitzt.
    »In Baltimore gab es einen großen Hafen, ein Aquarium und Schiffe, und eine riesige Werbetafel für Domino Sugars, die Tag und Nacht geleuchtet hat. In Philadelphia gab es eine Statue oben auf einem hohen Haus und eine riesige Glocke, ein Symbol für die Freiheit. New York City … ja …« Er zögert. »Meine Eltern hätten gesagt, dass man sie gesehen haben müsste, bevor sich die Rechtschaffene Rote Welle breitgemacht hat. Dass man dort gewesen sein müsste, um sie zu begreifen. Die Stadt hat gelebt.«
    Pressia weiß, dass alles Mögliche schiefgehen kann. Vielleicht schaffen sie es gar nicht erst übers Meer. Vielleicht kann El Capitán das Gefährt nicht landen. Vielleicht ist Irland ein düsterer Krater, vielleicht wimmelt es auf der ganzen Insel von grausameren Bestien und Dusts, als sie je gesehen haben. Selbst wenn sie Glück haben und rechtzeitig zur Sonnenwende in Newgrange eintreffen, selbst wenn die Sonne einen Punkt am Boden erhellt – wenn sie graben, finden sie vielleicht nur einen leeren Hohlraum, ein bisschen Asche oder gar nichts.
    Sie macht sich nichts vor, und trotzdem darf sie diesen Moment erleben – hoch oben in der Luft mit Bradwell, auf der Reise, auf der Flucht, der Hoffnung hinterher. Trotzdem ist da diese Freude, ein unangreifbares Glück in ihrem Inneren. Sie halten sich an den Händen.
    »Wir befinden uns über Horse Island, Neufundland!«, ruft El Capitán. »Die letzte Landmasse vor dem Atlantik!«
    Pressia wirft einen Blick aus dem Bullauge, durch die Feuchtigkeit, die in Schlieren über das Glas wandert wie Tränen, die es bei starkem Wind aus den Augen treibt. Sie stellt sich Scharen aus Wildpferden vor, die über Horse Island sprengen. Doch sie sieht nur das wogende Rollen der Rußwolken.
    »In dreißig Sekunden klinke ich die erste Boje aus«, ruft El Capitán. »Könnte ganz schön laut werden. Festhalten!«
    Bradwell drückt ihre Hand. »Ich halte uns fest.«
    Das Donnern der Boje lässt das Luftschiff erzittern. Ein Blitz rast am Fenster vorüber und taucht die Kabine für einen Moment in schillerndes Licht. Und plötzlich erinnert Pressia sich an die Explosionen, als wäre es gestern gewesen: Licht, das alles und jeden durchschlägt. Glühende Fenster und Mauern und Körper und

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