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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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Stiefelsohle. Helmud scheint schwerer auf ihm zu lasten als je zuvor – noch schwerer als gleich nach den Explosionen, als El Capitán ein von Verbrennungen übersäter Junge war, der sich und Helmud kaum länger als ein paar Minuten am Stück aufrecht halten konnte. Sein Blick verschwimmt, bis er doppelt sieht.
    El Capitán zwinkert hektisch und kneift die Augen zusammen. Er weiß, warum er immer noch hier draußen ist und nach Bradwell sucht, warum er nicht aufgegeben hat – weil er Pressia nicht sagen will, dass Bradwell tot ist. Er will ihr nicht das Herz brechen. Er hat die beiden beobachtet, in der Unterführung. Er weiß, wie sie Bradwell ansieht. Kann sein, dass sie ihn liebt. El Capitán glaubt nicht, dass sie ihn jemals lieben wird, aber er liebt sie, und er würde es nicht ertragen, wenn sie noch einen Verlust durchmachen müsste. Er muss sich nur ihren Blick vorstellen, wenn sie von Bradwells Tod erfährt, und schon bricht es ihn mittendurch. Er muss weitersuchen.
    »Helmud«, sagt er. »Sag mir, was du siehst.«
    »Was du siehst«, wiederholt Helmud.
    »Mann, Helmud, wir haben keine Zeit für deinen Schwachsinn! Ich brauch dich.«
    »Ich brauch dich.«
    Sie brauchen sich gegenseitig. So war es schon immer, so wird es immer sein, und vielleicht sollte El Capitán sich damit zufriedengeben. Er kann sich glücklich schätzen, jemanden zu brauchen und gebraucht zu werden, für immer. Er sollte Pressia loslassen. Es war ein Fehler, sich überhaupt Hoffnungen zu machen.
    El Capitán robbt auf den Waldrand zu. Zuckende Vogelschatten flitzen über den Boden. Ein Krächzen über seinem Kopf. Was, wenn Bradwell tot ist? Er müsste es Pressia sagen. Er müsste sie trösten. Es ist unmenschlich, sich so etwas auszumalen, doch er sieht es bereits vor sich: ihr Kopf an seiner Schulter. Er streicht ihr übers Haar.
    »Nein«, sagt er zu sich selbst. »Nicht.«
    »Nicht«, sagt Helmud, als könnte er seine Gedanken lesen.
    »Du sagst es, Helmud.« Doch das Adrenalin regt sich bereits – als hätte sein Körper schon entschieden, dass er Bradwell tot sehen will, egal was sein Gewissen dagegen einzuwenden hat. Er robbt weiter. Seine Ellenbogen rutschen ab, er landet auf dem Boden und richtet sich langsam wieder auf. »Schön die Augen offenhalten, Helmud. Nicht aufhören, ja?«
    Da spannen sich Helmuds Arme um seine Schultern an. »Aufhören, ja!«
    El Capitán erstarrt und blickt auf den schlammigen, efeuüberwucherten Boden – an einem wächsernen Blatt klebt ein Blutspritzer. Er nimmt den Efeustängel zwischen die Finger, hält ihn vor die Augen und begutachtet die dünne Blutschicht, die so gut wie getrocknet ist. »Verdammt, wo ist er hin?«
    »Hin!« Helmud deutet über die letzten Meter Wiese in die Bäume.
    Jetzt sieht auch El Capitán die Stiefelspuren, die die Erde zerwühlt und den Efeu zertrampelt haben – und, ganz am Ende, einen menschlichen Umriss in einem Mantel aus Ranken. Bradwell. Sein Gesicht wirkt vollkommen ruhig. Schläft er? Ist er tot?
    El Capitán rappelt sich auf und rennt los, doch der Wald kippt vor ihm zur Seite. Er blickt in den Himmel, um sich zu orientieren. Aufgescheuchte Vögel flattern aus den Wipfeln und verteilen sich über ihm. Einer breitet die Flügel aus und wechselt in den Sturzflug – oder ist es El Capitán selbst, der stürzt? Er knallt auf die Schulter. »Bradwell! Bradwell!«
    Schwer atmend hievt er sich auf die Knie, stellt einen Fuß auf den Boden, steht halb auf und schleppt sich im Zickzack weiter, auf den leblosen Bradwell zu. Die Welt ruckelt und stottert vor seinen Augen.
    Als er näher kommt, sieht er, wie fest sich der Efeu um Bradwells Arme und Beine gewickelt hat. Ranken spannen sich über seine Brust und Kehle. Dornenranken. Mein Gott, wer hat ihm das nur angetan? Und wie? Die Dornen schneiden ihm in die Haut. Bradwell hat Blut verloren, nicht besonders schnell, aber stetig. Er ist blass, seine Augen sind geschlossen. Ein paar Meter abseits liegt sein Gewehr, ebenfalls umschlungen von Efeu. Anscheinend hatte er kein Messer dabei.
    El Capitán lässt sich auf die Knie fallen und legt eine Hand auf Bradwells Gesicht. Kalt. Ein Gedanke taucht in ihm auf: Er hat Bradwell umgebracht. Er hat sich vorgestellt, er wäre tot, und jetzt ist er tot. Es ist seine Schuld. »Das wollte ich nicht«, sagt er zu Helmud.
    »Nicht!«, ruft Helmud.
    Helmud klingt so wütend, so entschlossen, dass El Capitán den Kopf hochreißt. »Okay«, erwidert er, »okay.« Langsam

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