Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
weißt du ja. Es war schlimm. Und dann waren da die tote Katze in der Schachtel und der Motor und mein Onkel, der meine Tante angebettelt hat, den Zündschlüssel herumzudrehen.«
»Ja.« Pressia stellt sich vor, wie Bradwell allein am Fluss steht, betäubt vom weißen Licht, vom heißen Schmerz der verbrannten Haut und den messerscharfen Schnäbeln in seinem Rücken. »Es tut mir leid.«
»Was tut dir leid? Ich will dein Mitleid nicht. Du willst doch auch kein Mitleid.«
»Na gut. Aber nenn mir einen guten Grund, warum Walrond nicht zu den Sieben gehört haben soll. Nur einen.«
»Weil … weil er sich dann nur mit meinen Eltern angefreundet hätte, um sie auszuhorchen. Weil er dann ein Doppelagent gewesen wäre, der beide Seiten gegeneinander ausgespielt hat, und weil das meine Eltern vielleicht das Leben gekostet hätte. Ich meine, sogar in diesem blöden Zeitungsartikel – war das sein Ernst, was er da gesagt hat, oder hat er damals schon Spielchen gespielt? Hat er an Willux’ Heldenmut geglaubt oder kannte er die Wahrheit über den toten Kadetten?«
Pressia mustert ihn, doch Bradwell starrt nur mit tränenden Augen durch den schiefen Rahmen des Pavillons. Auf seinen geröteten Wangen kleben Aschestreifen. »Welche Wahrheit?«, fragt sie.
»Es war Mord.«
»Was für ein Mord?«
»Willux’ erster Mord.«
Pressia erinnert sich an das körnige Zeitungsfoto – der junge Lev Novikov mit dem ernsten, gehetzten Blick. Sie seufzt. »Novikov und Walrond standen in Verbindung mit Willux, als die Sieben gegründet wurden, in enger Verbindung. Sie sind zwei entscheidende Figuren. Ich kann es nicht ändern.«
»Aber Walrond war nett zu mir.« Bradwell sieht sie an. »Verstehst du?«
»Ja. Aber das muss nicht heißen, dass er nur nett war. Oder dass er immer und zu allen nett war.«
»Wir sollten gehen. Die Mütter sind wahrscheinlich schon da.«
Wilda hält Freedle in der hohlen Hand. Sie gibt ihn an Pressia weiter, Pressia lässt ihn in die Tasche gleiten. Gemeinsam klettern sie aus dem Pool. Pressia wirft noch einen Blick zurück. Wie war es hier vor den Explosionen? Blaues Wasser, ein großer, weißer Pavillon mit hauchdünnen Vorhängen … Wer hat dieses Leben gelebt?
»Ja, sie sind da«, stellt Bradwell fest.
»Eine nach der anderen«, sagt Wilda, zeichnet sich das Kreuz auf die Brust und malt den Kreis auf die Mitte.
El Capitán hat sein Gewehr auf den Boden gelegt. Mit geneigtem Kopf kniet er zu den Füßen einer Mutter. Helmud hat sich zu einem verängstigten Klumpen auf seinem Rücken verkrümmt. Die Mutter, die sich vor ihnen aufgebaut hat, ist die Antwort auf Pressias Frage – eine vernarbte, versengte Frau mit einem verschmolzenen Kind an der Schulter, dessen Beine um ihre Hüfte geschlungen und darin aufgegangen sind. Eine müde, zähe, sehnige Gestalt. Frauen wie sie haben dieses Leben gelebt. Sie hatten Häuser mit Pools und Pavillons. Sie sind die Erben dieser Landschaft.
Wilda klammert sich an Pressias Puppenkopffaust und flüstert: »Wir wollen unseren Sohn zurück? Dieses Mädchen?«
Pressia weiß, was sie sagen will: Wer ist das, und was passiert jetzt mit uns?
EL CAPITÁN
Kellerjungs
Sie haben einen schöneren Teil der Meltlands erreicht. Die Fußabdrücke der Häuser sind größer, und neben den meisten befindet sich ein Swimmingpool, auch wenn davon nur rissige Betongruben übrig sind. Unter der Bedingung, dass Bradwell und El Capitán ihre Waffen nicht mitnehmen, hat die Mutter sich bereit erklärt, sie zu Partridge zu bringen. El Capitán hat sein Gewehr im Wagen gelassen, Bradwell durfte sich Fignan auf den Rücken schnallen – nachdem Pressia die Mutter davon überzeugt hatte, dass er keine Bombe, sondern eine Art Bibliothek ist.
Das Brennen in El Capitáns Wadenmuskel bohrt sich tief in den Knochen, noch tiefer als die starren Beine der Roboterspinne. Bei jeder Bewegung schwillt der Schmerz an und schießt das Bein hinauf. Er ähnelt der sengenden Hitze nach den Bombenangriffen, als El Capitán und Helmud miteinander verschmolzen sind. »Erinnerst du dich an mich?«, flüstert der Schmerz. »Du spürst mich immer noch, oder?«
Ja, er erinnert sich an den Vormittag der Explosionen. Sein Bruder war eine richtige Plaudertasche, ein witziger, schlauer Junge – ganz sicher schlauer als El Capitán. Und was war das Letzte, was El Capitán zu ihm gesagt hat? »Sei kein Idiot, Helmud. Sei kein gottverdammter Idiot.« Helmud saß hinten auf dem Motorrad, El Capitán
Weitere Kostenlose Bücher