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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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wirklich nur treiben lassen?«, fragt sie. Ein tiefes, vielstimmiges Knurren lässt das Schilf vibrieren. Pressia entdeckt Dutzende glänzender Augen, Schnauzen und Zähne.
    »Ja«, sagt Bradwell mit einem Seitenblick auf die Tiere. »Bleib ganz ruhig. Entspann dich und lass dich tragen. Alles andere erledige ich.«
    Sie lässt den Mantel von den Schultern gleiten, bindet schnell die Schnürsenkel auf und reißt die Stiefel an den kalten, verschlammten Fersen von den Füßen.
    Bradwell zieht sich die Hose aus. Darunter trägt er eine weite Shorts. Er zerrt den Gürtel aus den Schlaufen, greift sich die Karten und schnallt sie sich vor den Bauch. Der Gürtel schneidet ihm in die Haut.
    »Das mit dem Ausziehen meinst du wirklich ernst, was?«, fragt Pressia.
    »Jepp.« Als er ins Wasser watet, zuckt er zusammen. Die Kälte tut weh. Jetzt sieht sie die schimmernden Federn der Vögel und ihre hellorangen Füße. Wasservögel.
    »Die Ampullen!« Pressia überprüft, ob sie noch heil und in Sicherheit sind.
    »Komm schon!« Eins der Tiere hat sich vorgewagt. Glänzendes Haar blitzt auf, eine Art Mähne. Pressia hört ein tiefes, mürrisches Knurren. Als sie sich ein letztes Mal umdreht, teilt sich die seidige Mähne wie ein Vorhang, und ein dunkler, schlammbedeckter Arm streckt sich aus – ein dünner, menschlicher Arm. Ein Geistermädchen? Nein. Die Mädchen sind ein Mythos. Nur ein Mythos. Rückwärts geht Pressia ins frostige Wasser, Schritt für Schritt. Kälte schwappt um ihre Beine. Das Wasser ist so eisig, dass es auf der Haut brennt. Bald reicht es ihr bis zur Hüfte. Die Arme hält sie über dem Kopf. Als sich Bradwells kräftiger, fester Griff um ihr Handgelenk schließt, stößt sie sich mit den Zehen ab. Nun spürt sie den Auftrieb.
    »Lass dich vom Wasser oben halten. Ich bin gleich neben dir.« Er schlingt einen nackten, nassen Arm um ihre Hüfte und zieht sie nach vorne, während sie ihm einen Arm locker um den Hals legt, die Beine anwinkelt und auf dem Bauch schwimmt. Ihre Haut wird langsam taub.
    Fignan rollt ins Wasser, lässt seine Schwimmhautflügel flattern und verschwindet in den Fluten.
    Sie hält die Luft an und reckt das Kinn über Wasser, während Bradwell sich vom Grund abstößt und anfängt, mit den Beinen zu strampeln. »Du kannst auch strampeln«, sagt er, »falls dir danach ist.«
    Doch als sie strampelt, wird ihr schwindlig. Sie atmet aus und sofort wieder ein. Wenn sie sich doch nur weiter ausgezogen hätte. Ihre Kleidung ist viel zu schwer.
    »Toll machst du das«, keucht Bradwell.
    Da streift irgendetwas um ihre Beine. Schnell zieht sie die Knie an und krallt sich fester an Bradwells Hals. »Da unten ist irgendwas!«
    »Sicher nur ein Fisch. Halb so wild.« Doch seine Augen suchen das Wasser ab. Er fürchtet sich auch.
    Das Wasser ist zu dunkel und trübe, um viel zu erkennen. »Nein«, widerspricht sie. »Das war was anderes.« Die Geistermädchen. Was, wenn sie hier sind, überall, im Wald, unter Wasser? Wenn sie zu knurrenden Bestien im Schilf mutiert sind …
    »Strampeln!«, befiehlt Bradwell.
    »Ich kann nicht.«
    »Lass meinen Hals los!«, schreit er, doch da wischt erneut irgendetwas um ihre Beine – eine Hand, die sie am Knöchel packt? Dann ist die Hand wieder verschwunden.
    Pressia schreit und klammert sich so krampfhaft an Bradwell, dass sein Kopf untertaucht. Sie stößt sich von ihm ab, um oben zu bleiben, klettert auf ihn drauf, drückt ihn nach unten. Ihr Instinkt zwingt sie dazu. Sie ertränkt ihn! Panik krallt sich in ihre Eingeweide. Sie schlägt um sich und schreit seinen Namen quer über den Fluss. Dann geht sie ebenfalls unter. Sie kriegt keine Luft mehr. Plötzlich ist sie blind und taub.
    Sie rudert mit den Armen, erreicht die Oberfläche, schnappt nach Luft, zerwühlt das Wasser, prügelt mit der Puppenkopffaust auf den Fluss ein – und geht wieder unter. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie in die Dunkelheit. Dunkelheit, so weit das Auge reicht. Ein leises Rauschen umgibt sie. Sie tut alles, um wieder nach oben zu gelangen, doch je hektischer sie Arme und Beine bewegt, desto tiefer versinkt sie im eisigen Wasser. Die Luft sitzt in ihrer Lunge fest, ihre Brust wird zu einem Hohlraum, der von außen her gefriert.
    Kann ihr Herz gefrieren, bevor sie Zeit hat, zu ertrinken? Ihre Haut wird vereisen, ihr Haar wird erstarren, auch ihre Kleidung. Und ihr Körper – ihr lebloser, bläulicher Körper – wird aufs Meer hinausgezogen werden. Itchy knee  …

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