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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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hager und blass. Ihr Gesicht ist unbedeckt, trotz der unzähligen Brandwunden und Narben, die die Bomben und Ingerships Misshandlungen hinterlassen haben. Vielleicht hat sie mit ihrem Äußeren Frieden geschlossen – oder sie ist bloß zu müde, um es noch zu verbergen. Lyda setzt sich auf einen Stuhl neben ihrem Bett. Illia starrt an die Decke. Auch als Lyda ihre Hand nimmt und ihren Namen sagt, reagiert sie nicht.
    »Der Samen der Wahrheit«, sagt Lyda. »Er ist in guten Händen. Er ist bei Leuten, die wissen, was zu tun ist. Bei guten Leuten.«
    Illia rührt sich nicht. Hört sie überhaupt etwas?
    »Illia«, flüstert sie, »die Wahrheit ist in guten Händen. Du hast deinen Auftrag erfüllt.« Will sie Illia die Erlaubnis geben, endlich zu sterben? Lyda wurde eingeimpft, Krankheit und Tod zu bekämpfen und zu fürchten wie nichts anderes. Eines Tages erkrankte ihr Vater, am nächsten Tag war er weg, auf eine abgeschottete Station verfrachtet. Sie konnte sich nicht mal von ihm verabschieden. Dann kam eine Meldung – er war tot. Doch die Mütter haben ihr beigebracht, dass der Tod ein Teil des Lebens ist.
    Lyda blickt zu Mutter Hestra auf. »Ist sie schon lange so weit weg?«
    »Sie ist halb hier, halb auf der anderen Seite, zwischen Leben und Tod.«
    »Illia«, versucht Lyda es noch einmal. »Ich weiß, wen du gemeint hast, als du nach Art gefragt hast – Art Walrond.«
    Illias Wimpern flattern. Sie dreht den Kopf zur Seite und starrt Lyda an.
    »Der Samen der Wahrheit«, sagt Lyda. »Er hat überlebt. Er existiert. Du hast getan, was Art von dir erwartet hat.«
    »Art«, flüstert Illia. »Ich habe ihn gesehen. Er ist da. Er wartet.«
    Lydas Augen füllen sich mit Tränen. »Du kannst jetzt zu ihm gehen. Es ist in Ordnung.«
    Illias Augen weichen nicht von Lydas Gesicht. Sie hebt die Hand und berührt sie an der Wange. »Hätte ich eine Tochter gehabt …« Sie legt die Hand aufs Herz und schließt die Augen.
    »Illia«, haucht Lyda. »Illia, bist du noch da?« Sie dreht sich um und schreit Mutter Hestra an: »Tu doch was! Ich glaube, sie …«
    »Sie geht«, sagt Mutter Hestra ruhig. »Das wusstest du doch. Sie geht, und das ist in Ordnung.«
    Lyda starrt auf Illias Brustkorb und wartet auf einen Atemzug. Nichts tut sich. »Sie ist nicht mehr da.«
    »Ja. Sie ist fort.« Mutter Hestra hakt sich bei Lyda unter. »Gehen wir. Wir kümmern uns schon um ihren Körper.«
    »Lass mich noch eine Minute bleiben.«
    »Na gut.«
    Lyda schließt die Augen und spricht ein Gutenachtgebet über die wundervolle Morgensonne, das sie früher ihrem Stoffmarienkäfer zugeflüstert hat.
    Nach einer Weile wandert sie halb blind durch die Gänge zu Feldbett Nummer neun. Sie wirft einen Blick auf Freedle und sieht sich im Zimmer um. Alle schlafen tief und fest. Hier ist jemand gestorben , will sie ihnen zurufen, jemand hat uns verlassen! Aber es gibt keinen Grund, die anderen zu wecken. Der Tod ist etwas ganz Natürliches. Ein Teil des Lebens.
    Lyda legt sich hin und versucht zu schlafen, doch ihr Kopf macht, was er will. Sie stellt sich vor, dass Illia und Art wieder vereint sind, vielleicht in einer Art Himmel? Könnte das sein? Ihre Gedanken eilen zu Partridge. Wo ist er jetzt? Ist er in Sicherheit? Denkt er an sie?
    Sie erinnert sich, was er ihr als Letztes gesagt hat: Du hast dich verabschiedet, aber ich verabschiede mich nicht. Wir werden uns finden. Ich bin mir sicher.
    Nun ist er in eine neue Version ihres früheren Lebens zurückgekehrt – mit seinen Regeln, seiner Gesellschaftsordnung, seiner Strenge. Mit seinen Badehandtüchern, gestärkten Hemden und frisch gestrichenen Wänden. Partridge muss Erwartungen erfüllen. Das Kapitol verändert die Menschen, nicht nur durch Codierungen und Medikamente, sondern allein durch seine stickige Luft. Im Kapitol hat sie geglaubt, was ihr gesagt wurde, und ihre größte Angst war, ihre Mitmenschen zu enttäuschen. Dabei hätte die Wahrheit offen gelegen, hätte sie nur hingesehen. Hätte sie nicht so leichtfertig, so bereitwillig, so freudig geglaubt, dass die Menschen in der Außenwelt keine richtigen Menschen sind. Verabscheut sie ihr altes Ich? Nein, sie fürchtet es. Ihr Leben in der Gefangenschaft war so bequem, dass sie immer noch eine Gefangene wäre, hätte man sie vor die Wahl gestellt. Hätte man ihrem alten Ich erzählt, dass sie eines Tages hier landen würde, unter den Unglückseligen, hätte sie sich leidgetan. Sie hatte Glück, dass sie entkommen ist.
    Als sie

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