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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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eine Wolke aus Asche und Dreck regnet auf den Wagen. Er fährt wie jemand, der seine Wut nicht unter Kontrolle hat. Partridge klammert sich an seinem Sitz fest. Im Kapitol fährt niemand mit einem privaten Wagen. Alle verlassen sich auf die Bahn. Er hat seit Ewigkeiten kein Auto mehr gesehen und kann sich kaum daran erinnern. Definitiv hat er noch nie in einer rasenden Limousine gesessen, mit einem lebensmüden Irren hinter dem Steuer.
    »Ich dachte, ihr beide wärt tot!«, sagt Pressia.
    »Das dachten wir auch von dir!«
    »Das ist El Capitán«, sagt Pressia.
    Bradwell deutet durch die Windschutzscheibe nach vorn. »Eine ganze Horde von diesen Biestern! Verdammte Scheiße!« Sie überfahren eine Horde Dusts, und jedes Mal regnet es Dreck und Trümmer.
    »Wissen wir auch, wo wir die Mutter dieses Reinen finden?«, fragt El Capitán.
    Partridge packt den Beifahrersitz und zieht sich an der Lehne nach vorn. »Was wissen Sie über meine Mutter?«
    In diesem Moment erscheint wie aus dem Nichts ein Kopf über dem Rücken des Fahrers. Ein Gesicht – klein, bleich, übersät von Narben. Es öffnet einen kleinen dunklen Mund und sagt: »Mutter?«
    »Whoa!«, ruft Partridge erschrocken und zuckt zurück. Er landet auf dem Rücksitz.
    Der Fahrer lacht auf und reißt das Lenkrad so hart herum, dass Partridge mit dem Kopf gegen die Scheibe knallt.
    »Und das ist Helmud«, sagt Pressia. »El Capitáns Bruder.«
    Zusätzlich zu den zahlreichen Kratzern und Bisswunden am ganzen Leib ist auch eine Naht auf dem Rücken von Bradwells Hemd aufgerissen. Durch den Schlitz kann Partridge einen der Vögel auf Bradwells Rücken sehen – graue, sich unablässig bewegende Flügel, einige davon blutig. Es sind allem Anschein nach nur drei. Partridge hatte viel mehr erwartet angesichts der ständigen Bewegung. Zwei der Tiere halten niemals still. Das dritte, ruhigste von allen – das Tier, das Partridge sehen kann –, ist mit dem Schnabel in Bradwells Rücken verschmolzen. Die Haut um den roten Schnabel herum ist aufgewölbt. Das glänzende dunkle Vogelauge ist umgeben von schwarzen Federn. Für einen Moment sieht es aus, als würde der Vogel Partridge ansehen, als wollte er ihm eine Frage stellen. Er sieht schwach aus und verletzt.
    »Einer der Vögel ist verletzt«, sagt Partridge. Sein Mund ist trocken und klebrig von Asche.
    »Deine Mutter hat sicher Medizin«, sagt El Capitán. »Das ist es nämlich, was wir für das Kapitol schützen sollen, sobald wir sie gefunden haben. Jede Wette, dass sie etwas gegen eure Verletzungen hat.«
    »Medizin?«, fragt Bradwell und sieht Pressia an.
    »Falls wir sie finden, sollen wir darauf achten, dass nichts in ihrem Besitz irgendwelchen Schaden erleidet«, sagt Pressia.
    Allmählich dämmert Partridge, dass er diese Leute überhaupt nicht kennt. Er ist mitten in ihr Leben geplatzt, und sie sind Fremde für ihn. Er versteht weder sie noch die Welt, in der sie leben. Wird seine Mutter genauso fremd für ihn sein?
    Er sieht aus dem Fenster. Sie kommen schnell voran. Die flache Landschaft verschwimmt zu undeutlichen Schemen. Ob seine Mutter dort draußen in diesen Hügeln lebt? Hat sie ihm diese Geschichte erzählt, damit er sich nach all den Jahren erinnert? Wie lange ist es eigentlich her, dass er glaubte zu wissen, was er tat? Er starrt auf den zerbrochenen Anhänger an der Kette um Pressias Hals. Er schaukelt im Rhythmus des Wagens und schlägt immer wieder gegen Pressias blutige, rußbedeckte Schlüsselbeine. Das blaue Auge wirkt klein und zerbrechlich. Wozu ist es gut? Was bedeutet es?

LYDA
    Es
    Lyda tritt durch die letzte Tür ins Freie, und sie gleitet hinter ihr zu. Sie hört, wie ein schweres Schloss einrastet. Doch im Gegensatz zu dem, was die Wache ihr gesagt hat, ist niemand von den Spezialkräften da, um sie in Empfang zu nehmen.
    Sie blickt hinaus in die düstere Landschaft, die aufgewirbelten Wolken aus Asche und Staub und die Wälder in weiter Ferne. Sie sieht eine Stadt – zerstörte, eingestürzte Gebäude und kleine Rauchwolken, die gen Himmel steigen. Sie ist allein mit der blauen Schachtel in ihrer Hand.
    Sie dreht sich zu dem Kuppelbau um und starrt hinauf auf die gigantische Konstruktion. Sie klopft zaghaft an der Tür, obwohl sie weiß, dass es niemanden gibt auf der anderen Seite, der sie hören könnte. Irgendwo in den Wäldern erschallt ein bizarres Heulen. Sie dreht sich nicht um, sondern hämmert mit den Fäusten gegen die Tür. »Hallo! Hier ist niemand!«, ruft

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