Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Dusts arbeiten im Rudel mit ihren kleinen schwarzen Knopfaugen und den teilweise frei liegenden Rippen. Einige sind miteinander verschmolzen, Brustkorb an Brustkorb, Kiefer an Kiefer. Andere Schädel an Schädel oder in Stapeln übereinander. Alle sind jedoch mit der Erde verschmolzen, und Erde kommt mit ihnen, als sie Bradwell erreichen. Sie existieren nur mit Erde. Es sind Mehrlinge, die gleichzeitig Dusts sind und mit der Erde verschmolzen. Sie rennen mit scharrenden Klauen an Bradwell hoch und bringen einen Saum aus Erde mit, eine Decke aus Dreck, mit der sie ihn ersticken können.
Dann geht alles schnell. Bradwell schneidet mit raschen Bewegungen durch die Decke und die Masse von Leibern. Die Dusts fallen zu Dutzenden, doch es kommen mehr, immer mehr. Er verschwindet unter ihnen, als wäre er gefangen in einem Netz aus kleinen vagabundierenden, ascheverdreckten Kreaturen.
Pressia will zu ihm rennen, um zu helfen, doch Partridge stößt sie so hart beiseite, dass sie zurücktaumelt. »Ich mach das.«
»Was zum Teufel ist los mit dir?«, brüllt Pressia durch ihren Schal. Der Wind peitscht durch ihr Haar. In der einen Hand hält sie das Messer, die andere mit der Puppenkopffaust ist bereit zum Zuschlagen.
Das ist seine kleine Schwester.
Die Erkenntnis trifft ihn mit solcher Wucht, dass er für einen Augenblick wie betäubt ist. Seine kleine Schwester. »Bleib hier!«, sagt er.
»Nein!«, brüllt sie. »Ich werde kämpfen!«
Sie lässt sich nicht aufhalten. Sobald Partridge losrennt, ist sie hinter ihm. Sie kämpfen sich zu Bradwell durch und schlagen ihrerseits mit ihren Messern und Haken auf die kleinen Wesen ein. Partridge ist von einer unbändigen Energie erfüllt. Er bewegt sich mit atemberaubender Schnelligkeit und übermenschlicher Kraft. Offensichtlich schlägt die Codierung immer mehr durch. Es sind trotzdem zu viele. Er kommt nicht gegen die Übermacht an. Bradwell stolpert vorwärts, dann verliert er das Gleichgewicht. Die Decke aus Erde legt sich über seine Beine, versucht seine Bewegungen zu ersticken. Er windet sich mit dem Oberkörper, zappelt wie ein Fisch, doch es ist zwecklos.
Dann sind die Dusts auch über Pressia und Partridge. Sie haben Klauen und scharfe Zähne. Partridge sieht die kleinen roten Flecken auf seinem Hemd und Pressias Bluse aufblühen. Die kleinen Dusts haben Bradwells Oberkörper erreicht und greifen jetzt die Vögel auf seinem Rücken an.
»Nein!«, schreit Bradwell Pressia und Partridge zu. »Zurück mit euch!«
Doch sie kämpfen weiter. Sie treten und schlagen, zerfetzen und schneiden die Dusts von Bradwell herunter.
Dann kommt die nächste Welle von Dusts über sie, brusthoch diesmal. Und hinter dieser Welle gibt es Säulen von Dusts, gewaltige Kreaturen mit riesigen Köpfen und Hörnern und Stacheln auf dem Rücken. Partridge ist sicher, dass ihr Ende gekommen ist. Er wird seiner Mutter nicht näher kommen als bis hierher.
Dann plötzlich schreit Pressia über das schrille Gezwitscher der Dusts hinweg: »Er kommt! Ich kann ihn hören! Er kommt!«
»Wer?«, fragt Bradwell.
Auch Partridge hört ein neues Geräusch, ein tiefes Rumpeln unter dem schrillen Kreischen – einen großen Motor, und dann ein Presslufthorn.
Ein Wagen, eine wunderbare schwarze Limousine, rast durch die Wellen von Dusts und fährt sie einfach über den Haufen. Rippen, Brustkörbe, Zähne, glänzende Augen fliegen durch die Luft. Der Wagen kommt seitwärts driftend direkt vor den dreien zum Stehen. Partridge kann kaum etwas sehen durch die Aschewolke, die der Fahrer aufgewirbelt hat, doch er hört eine Stimme: »Los, steigt ein, verdammt noch mal! Rein mit euch!«
Partridge ist nicht sicher, ob er der Stimme trauen kann oder nicht, aber er ist nicht in der Position, wählerisch zu sein. Er dreht sich um und sieht, wie Pressia Bradwell auf die Beine hilft. »Mach die Tür auf!«, ruft Bradwell ihm zu.
Partridge rennt zur Tür, reißt sie auf. Bradwell und Pressia springen hinein, gefolgt von Partridge. Der Wagen setzt sich schon in Bewegung, bevor die Tür krachend ins Schloss fällt.
Der Fahrer sitzt ganz dicht hinter dem Steuer, weil er irgendwas auf dem Rücken trägt. Er sieht über die Schulter zu Partridge. Sein Gesicht ist narbig und verbrannt.
»Ist er das, Pressia?«, ruft der Fahrer. »Ist das der Reine?«
»Ja!«, ruft Pressia zurück. Sie kennt den Fahrer. »Und das hier ist Bradwell.«
Der Fahrer reißt das Lenkrad herum, fährt einen großen Dust über den Haufen, und
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