Memento - Die Überlebenden (German Edition)
umarmen«, sagt sie. »Ich schätze, Tyndal wäre heute so groß wie du, unter anderen Umständen.«
»Es tut mir leid«, sagt er noch mal, weil ihm nichts anderes einfällt. Nichts könnte etwas ändern. Er wünschte, sein Vater könnte Tyndal Fareling sehen.
»Es ist Zeit«, sagt sie. »Alles Gute.«
Partridge nickt.
Sie tätschelt seinen Arm, und Tyndal folgt mit seinem winzigen Händchen ihrem Beispiel.
»Danke für alles«, sagt Partridge. »Danke.«
Mrs Farewell und Tyndal verbeugen sich und schließen sich den anderen Frauen und Kindern an. Sie gehen zurück nach Hause.
»Ist alles okay?«, fragt Bradwell.
»Alles okay«, sagt Partridge. »Ich bin bereit.«
Jeder zieht ein Messer, und dann gehen sie weiter. Partridge dreht sich um. Die Frauen winken. Er hebt sein Messer und winkt zurück. Und dann wirbelt der Wind eine Aschewolke auf, und sie können sie nicht mehr sehen. Von nun an sind Partridge und seine beiden Begleiter auf sich allein gestellt.
LYDA
Im Freien
Die Wachen vom Therapiezentrum sind verschwunden, als Lyda endlich das Büro von Willux verlässt. Stattdessen wird sie nun von zwei männlichen Wachen empfangen. Sie bringen Lyda zu einem einzelnen Waggon der Monorail, wo sie einem dritten Wächter überstellt wird, einem massigen, schwer bewaffneten Mann mit einer kleinen Narbe am Kinn.
Er begleitet sie durch die dunklen Tunnel. Sie sitzt mit der blassblauen Schachtel im Schoß in einem der Sitze und beobachtet die Tunnelwände, die am Fenster vorbeigleiten. Der Wächter steht, die Beine gespreizt, und behält sie im Auge. Er verlagert sein Gewicht, wenn der Zug in eine Kurve geht.
Er scheint zu wissen, dass sie nach draußen gebracht werden soll. Sie ist nicht sicher, ob er auch weiß, warum.
»Bekomme ich einen Schutzanzug?«, fragt sie.
»Nein«, antwortet er.
»Was ist mit einer Atemmaske?«
»Und dieses hübsche Gesicht verstecken?«
»Haben Sie schon mal jemanden aus dem Kapitol nach draußen begleitet?«, will sie wissen.
»Ein Mädchen noch nicht.«
Er hat also Jungen nach draußen gebracht? Sie ist nicht sicher, ob sie ihm glauben soll. Vor Partridge, so heißt es, hat noch niemand das Kapitol verlassen. Warum sollten sie Jungen nach draußen schicken? Von so was hat sie noch nie gehört. »Welche Jungen?«, fragt sie. »Wen?«
»Die, von denen man nie wieder was hört«, sagt die Wache.
»Was ist mit dem Sohn von Willux?«
»Mit welchem?«
»Partridge natürlich«, sagt sie ein wenig ungeduldig. »Er ist nicht auf diesem Weg rausgekommen, oder?«
Die Wache lacht. »Er war noch nicht bereit für die Welt da draußen. Ich bezweifle, dass er überhaupt noch am Leben ist.« Er sagt es, als hoffte er, Partridge wäre tot. Als würde das etwas beweisen.
Der Zug verlangsamt seine Fahrt und hält schließlich. Die Türen öffnen sich, und sie stehen in einem langen, weiß gefliesten Gang. Er führt sie durch eine Reihe von Türen, die sich auf seinen gesprochenen Befehl hin öffnen und hinter ihnen automatisch wieder schließen.
»Noch drei weitere Kammern«, sagt er schließlich. »Du wirst jede durchqueren, sobald sich die Türen öffnen. Die letzte Tür führt direkt nach draußen. Das Ladedock ist geschlossen.«
»Das Ladedock?«
»Wir leben nicht so abgeschieden, wie du glaubst«, sagt er.
»Was laden wir?«
»Wir entladen«, sagt er. »Eines Tages gehört sie wieder uns.« Er meint die Erde selbst, und für einen Moment befürchtet sie, er könnte ihr eine Rede halten und erklären, dass sie die rechtmäßigen Erben des Paradieses seien, die vorübergehend aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Stattdessen sagt er einfach: »Wir sind gesegnet.«
»Ja, gesegnet«, stimmt sie ein, mehr aus Gewohnheit als alles andere.
»Jemand erwartet dich da draußen«, sagt er. »Spezialkräfte.«
»Sie schicken Spezialkräfte aus dem Kapitol?«
»Sie sind keine richtigen Menschen. Sie sind Kreaturen. Lass dich nicht von ihrem Aussehen täuschen.«
Sie hat schon früher Spezialkräfte gesehen in ihren atemberaubenden weißen Uniformen. Die Elitetruppen. Das waren keine Kreaturen. Das war ein halbes Dutzend starker junger Männer.
»Wie sehen sie aus?«
Er antwortet nicht. Wie kann sie sich vorbereiten, wenn er ihr nicht verraten will, was sie erwartet? Er starrt zu einer Sprechanlage an der Wand und dann zu einer Kamera oben an der Decke, was wohl so viel heißen soll wie, er kann nicht reden, es ist verboten. »Ich werde dich jetzt absuchen«, sagt er.
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