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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Eisberg» hatte ich meine Gage verbraucht, mit der ich noch Verpflichtungen meiner eigenen Firma nachkommen mußte. Wieder war ich ohne finanzielle Mittel, besaß kaum genügend, um meine rückständige Miete zu bezahlen. Da ich aber mit fünfzig Prozent am Gewinn meines Films beteiligt war, machte ich mir keine Sorgen.
      Als ich Sokal sprechen wollte, erfuhr ich von Herrn Plehn, seinem Prokuristen, auch er sei weggegangen - verständlich, Sokal war Halbjude. Was ich nicht verstehen konnte, war, daß er mit mir noch nie die Gewinne meines Films abgerechnet hatte, weder aus dem Verleih in Deutschland noch aus dem Ausland. Der Film war ein Welterfolg geworden. Ich war auf den Gewinnanteil meines Films angewiesen und hatte von Sokal noch keine Mark erhalten. Beklommen fragte ich Herrn Plehn: «Hat Herr Sokal Ihnen kein Geld für mich hinterlassen?»
      «Nein», war die Antwort.
      «Und wie werde ich zu meinem Geld kommen?»
      Herr Plehn zuckte die Achseln und antwortete ausweichend: «Herr Sokal wird das sicher vom Ausland regeln, aber viel Hoffnung besteht nicht. Das Finanzamt Friedrichstraße hat an ihn eine Forderung von 275 000 Mark.»
      Auf diese Hiobsbotschaft folgte eine noch schlimmere. Bei der Kopieranstalt Geyer erfuhr ich, daß Sokal mein Originalnegativ ins Ausland mitgenommen hatte. Verzweifelt versuchte ich ihn zu erreichen. Es hieß, er sei in Frankreich, aber ich konnte ihn nirgends ausfindig machen.
      In diesen Tagen, in denen ich von Depressionen gepeinigt wurde, erinnerte ich mich an einen Filmstoff, den mir Fanck einmal vorgeschlagen hatte: «Mademoiselle Docteur». Ein Spionagefilm, dessen Handlung im Weltkrieg zwischen Deutschland und Frankreich spielte. Fanck hatte mir dafür wertvolle dokumentarische Unterlagen zur Verfügung gestellt. Er hatte mit der Spionin zusammen in der deutschen Abwehr gearbeitet. Den Namen «Mademoiselle Docteur» hatten ihr die Franzosen in Anerkennung ihrer hervorragenden und von
    ihnen gefürchteten Tätigkeit gegeben.
      Ich legte den Stoff der UFA vor, die von dem Thema beeindruckt war und sich bereit erklärte, den Film in ihr Programm aufzunehmen und auch zu finanzieren. Ferner sicherte sie mir, was die künstlerische Gestaltung anbelangte, ein Mitbestimmungsrecht zu. Für das Drehbuch verpflichtete sie ihren Starautor, Gerhard Menzel, mit dem ich schon Kontakt aufgenommen hatte, und für die Regie wünschte ich mir Frank Wisbar, womit die UFA sehr einverstanden war.
      Zum ersten Mal seit dem «Blauen Licht» erhielt ich die Chance, mich in einem Spielfilm in einer dramatischen Rolle zu bewähren, was schon seit Jahren mein größter Wunsch war.
      Da bekam ich einen Anruf aus der Reichskanzlei. Am ganzen Körper zitternd, hielt ich den Hörer in der Hand. Man fragte mich, ob ich am nächsten Tag um vier Uhr in die Reichskanzlei kommen würde der Führer möchte mich sprechen. Ich hatte nicht den Mut «Nein» zu sagen. Nach dieser langen Pause fürchtete ich mich vor einer Begegnung mit Hitler. Als Reichskanzler war er sicherlich ein anderer geworden.
      Beinahe pünktlich war ich am nächsten Tag in der Reichskanzlei, wo Hitler mich bereits erwartete. Es war ein wolkenloser, warmer Sommertag. Ich hatte ein einfaches weißes Kleid angezogen und mich dezent geschminkt. Auf der Terrasse zum Garten war der Teetisch gedeckt. Nur der Diener war anwesend, weder Schaub noch Brückner habe ich gesehen.
      Hitler wirkte entspannt und genauso freundlich, wie ich ihn vor einem Jahr an der Nordsee kennengelernt hatte.
      «Nehmen Sie bitte Platz, Fräulein Riefenstahl.» Er schob meinen Stuhl zurück und setzte sich mir gegenüber. Der Diener schenkte Tee ein und bot Gebäck an. Ich hatte die Augen niedergeschlagen und war sehr gehemmt, im Gegensatz zu früher.
      «Wir haben uns sehr lange nicht gesehen», begann Hitler, «wenn ich mich recht erinnere, war es im Dezember letzten Jahres, bevor wir an die Macht kamen. Sie haben mich damals in einer meiner schwersten Stunden erlebt. Ich war nahe daran, mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen.» Mein Blick war immer noch auf die Tasse gerichtet.
      «Aber», fuhr er fort, «das Schicksal hat es nicht gewollt, und es ist für alle diejenigen, die leicht den Mut verlieren, ein Beispiel, daß man einen Kampf nie aufgeben darf, auch, wenn es noch so hoffnungslos aussieht.» Ich wagte nicht, ihn anzusehen. «Als meine Partei zerfiel und meine Mitkämpfer mich verließen, konnte ich nicht ahnen, daß

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