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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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angerufen. Wie hatte er nur herausbekommen, daß ich in St. Anton war? Kaum hatte ich mich umgezogen, wurde ich ans Telefon geholt. Tatsächlich war er es wieder. Aufgebracht fragte ich, wer ihm meinen Aufenthalt verraten habe, und seine Antwort war, er habe einige Wintersportplätze angerufen. Mußte ich das glauben?
      «Was möchten Sie von mir?»
      «Ich wollte mich nur erkundigen, wann Sie wieder in Berlin sind.» Die Hartnäckigkeit dieses Menschen war unglaublich. Wütend sagte ich: «Vorläufig nicht, und ich bitte Sie, Herr Goebbels, lassen Sie mich in Ruhe, und rufen Sie mich nicht mehr an.» Ich hing den Hörer ein. An diesem Abend war mir meine ganze Stimmung verdorben.
      Beim Abfahrtslauf am nächsten Tag war die internationale Spitzenklasse fast vollständig erschienen. Das lenkte mich von meinem Ärger ab. Das Rennen ging über die schwierige Kandaharstrecke hinunter bis zur Seilbahnstation. Es war fantastisch, in welchem Tempo die Läufer den mit vielen Buckeln versehenen Steilhang hinunterbrausten.
      Mitte Januar reiste ich ab und fuhr nach Davos. Dort lockte mich das Skigebiet der Parsenn - damals für Skifahrer ein Traumgebiet, das alle meine Erwartungen übertraf. Hier wurde ich vom Skifieber erst richtig erfaßt. Es gab kilometerlange Abfahrten im Pulverschnee und so viele, daß man jeden Tag eine andere Strecke wählen konnte, eine war schöner als die andere.
      Damals, im Januar 1933, traf man noch wenige Skifahrer auf den Pisten an. Heute, wo sich Tausende auf der Parsenn tummeln, ist das kaum vorstellbar. Niemals hatte man an den Skibahnen zu warten, Lifte gab es noch nicht, und Zusammenstöße, wie sie heute die Regel, sind waren eine Seltenheit. Vom Weißfluhgipfel bis Küblis konnte man vierzehn Kilometer ununterbrochen abfahren. Allerdings mußte man eine gute Kondition haben, um diese Strecke, ohne stehenzubleiben durchzufahren. Ich genoß das wie einen Rausch. Selbst in meinen Träumen schwebte ich über Steilhänge.
      Auf der Parsenn traf ich Walter Prager, den ich in St. Anton kennengelernt habe. Überraschend war dieser junge Schweizer Kandaharsieger geworden. Er bot mir an, mich für das Parsenn-Derby-Rennen zu trainieren. Mit ihm machte das Skilaufen noch mehr Spaß. Er war ein erstklassiger Trainer. Von Tag zu Tag machte ich Fortschritte - wir trainierten jetzt nach der Uhrzeit.
      Zwischen Walter Prager und mir entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Mit der Zeit wurde es immer herzlicher, so entstand eine engere Beziehung, die eine Dauer von mehr als zwei Jahren hatte.
      Merkwürdigerweise habe ich mich nie in Männer verliebt, die gesellschaftlich, politisch oder als Künstler einen Namen hatten oder die Frauen mit kostbaren Geschenken verwöhnten.
      Als meine Mutter später meinen Freund kennenlernte, war sie nicht sehr glücklich über meine Wahl.
      «Was findest du nur an dem Jungen?» fragte sie. «Nie kommst du mit einem gescheiten Mann, ich begreife dich nicht.»
      Arme Mutti, wie sollte ich ihr das erklären können? Walter sah gut aus, machte aber eher einen unscheinbaren Eindruck. Sein besonderer Charme, sein Temperament, sein sympathisches Wesen nahmen mich ganz für ihn ein. Es ist nicht leicht, selbst einem nahestehen den Menschen, wie meine Mutter es war, plötzliche Gefühle von Zuneigung und Liebe zu einem anderen verständlich zu machen.
      Der Arbeitsbeginn unserer schweizerischen Grönland-Aufnahmen verzögerte sich von Woche zu Woche. Ich hatte nichts dagegen. Es war Ende Januar, als ich in Davos von der sensationellen Nachricht überrascht wurde: Hitler war Reichskanzler geworden. Er hatte es also geschafft, wie, wußte ich nicht. Ich hatte seit Wochen keine Zeitungen mehr gelesen. Da es damals noch kein Fernsehen gab, habe ich den Tag der Machtübernahme mit dem Fackelzug erst Jahre nach dem Krieg in alten Wochenschauen gesehen.
      Hitler hatte nun sein Ziel erreicht, und als Reichskanzler interessierte er mich weit weniger als vor der «Machtübernahme».
      Anfang Februar wurde ich endlich zu den Aufnahmen nach dem «Bernina Hospiz» gerufen. Noch befand ich mich in Davos. Die Koffer waren schon gepackt, da stand plötzlich unerwartet Udet vor mir.
      «Was machst du denn hier?» fragte ich überrascht.
      «Dich abholen», sagte er verschmitzt.
      «Wie», fragte ich fassungslos, «mit deiner Maschine?»
      «Natürlich mit meiner Maschine.» Unglaublich dieser Udet. Meine Koffer-Ungetüme ließ

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