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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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mir schon in sechs Wochen der Sieg wie eine reife Frucht zufallen würde.» Er trank einen Schluck Tee, sah mich an und fragte aufmunternd: «Und Sie, wo waren Sie in der ganzen Zeit, und was haben Sie gemacht?»
      Ich hatte noch immer keine Silbe gesagt - ich dachte an Manfred George und meine anderen Freunde, die seinetwegen Deutschland verlassen hatten. Ich wußte nicht, wie ich es anfangen könnte, mit ihm darüber zu sprechen. Mir war, als ob ich einen Kloß in der Kehle hätte. Aber dann überwand ich meine Hemmung und sagte:
      «Ich war in Österreich und in der Schweiz, wo ich die Aufnahmen für ‹SOS Eisberg› fertiggemacht habe. Ich bin erst seit kurzem wieder in Deutschland. Aber es hat sich so vieles verändert.»
      «Wie meinen Sie das?» fragte er, jetzt distanzierter werdend.
      «Einige meiner besten Freunde sind emigriert und auch große Künstler, wie zum Beispiel die einzigartige und unersetzbare Elisabeth Bergner.»
      Hitler hob seine Hand, als wollte er meine Worte stoppen, und sagte dann etwas gereizt: «Fräulein Riefenstahl, ich kenne Ihre Einstellung, die Sie mir in Horumersiel mitteilten. Ich respektiere sie. Aber ich möchte Sie bitten, mit mir nicht über ein Thema zu sprechen, das mir unangenehm ist. Ich schätze Sie als Künstlerin hoch ein, Sie haben eine seltene Begabung, und ich möchte Sie auch nicht beeinflussen. Aber eine Diskussion über das jüdische Problem kann ich mit Ihnen nicht führen.» Sein Gesicht entspannte sich wieder, und dann fuhr er mit einem liebenswürdigen Ausdruck fort: «Ich habe Ihnen noch nicht gesagt, warum ich Sie eingeladen habe. Ich möchte Ihnen ein ehrenvolles Angebot machen, das Ihrem Talent entspricht. Wie Sie wissen, ist Dr. Goebbels als Reichspropagandaminister nicht nur für die Presse verantwortlich, sondern auch für Theater und Film. Da er aber auf dem Gebiet des Films keinerlei Erfahrung hat, habe ich an Sie gedacht. Sie könnten an seiner Seite die künstlerische Leitung des deutschen Filmschaffens übernehmen.»
      Bei diesen Worten Hitlers wurde mir fast schwindlig.
      «Sie sehen plötzlich so bleich aus», sagte er besorgt, «ist Ihnen nicht gut?» Wenn Hitler eine Ahnung gehabt hätte, was sich zwischen Goebbels und mir abgespielt hatte, würde er mir diesen Vorschlag nie gemacht haben. Ich konnte unmöglich mit Hitler darüber sprechen. Aber ganz unabhängig von dieser Geschichte hätte ich ein solches Amt niemals übernommen.
      «Mein Führer», sagte ich «verzeihen Sie mir, daß ich mich nicht in der Lage fühle, diese ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen.»
      Überrascht sah Hitler mich an.
      «Warum nicht, Fräulein Riefenstahl?»

      «Dafür habe ich keine Fähigkeiten. Ich habe bestimmte Vorstellungen von dem, was ich machen könnte. Wenn ich aber etwas tun müßte, wofür ich keine Antenne habe, dann wäre ich ein schlimmer Versager.»
      Hitler sah mich lange prüfend an, dann sagte er: «Gut, ich verstehe. Sie sind eine sehr eigenwillige Persönlichkeit. Aber Sie könnten doch dann Filme für mich machen.» Genau das hatte ich so befürchtet.
      «Ich denke da an einen Film über Horst Wessel oder einen über meine Bewegung.» Nun war ich es, die Hitler unterbrach.
      «Das kann ich nicht, das kann ich nicht», sagte ich fast flehend. «Vergessen Sie bitte nicht, ich bin eine Schauspielerin, und dies mit Leib und Seele.»
      An Hitlers Ausdruck sah ich, wie sehr ich ihn enttäuscht hatte. Er stand auf, verabschiedete sich und sagte: «Es tut mir leid, daß ich Sie nicht für meine Filme gewinnen konnte, aber ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg.» Dann winkte er dem Diener aus dem Nebenzimmer: «Bitte, geleiten Sie Fräulein Riefenstahl zu ihrem Wagen.«
      Verwirrt und bedrückt fuhr ich nach Hause. Daß ich Hitler, den ich damals noch immer verehrte, so enttäuscht hatte, schmerzte mich. Aber es war mir nicht möglich, über meinen Schatten zu springen. Als mich Fanck besuchte, berichtete ich ihm von dieser Unterhaltung und meinem Dilemma. Er war sprachlos: «Du hast dich unmöglich benommen, du mußt versuchen, es irgendwie gutzumachen.»
      «Aber wie?» fragte ich niedergeschlagen.
      Fanck überlegte: «Ich habe dir schon vor Jahren, als ich noch so sehr in dich verknallt war, eine wertvolle Erstausgabe sämtlicher Werke von Fichte geschenkt, die meine Schwester kunstvoll in weißes Leder gebunden hat. Wie wärs, wenn du dich davon trennst und sie Hitler mit ein paar Zeilen, die

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