Memoiren 1902 - 1945
war ein
strenger Kritiker. Aber ich wurde nicht enttäuscht.
«Das ist ein schöner Film», sagte er, «und du bist wunderbar. Es gibt keine größeren Gegensätze als dich und Marlene - du als ‹Junta› im ‹Blauen Licht› und Marlene als ‹Lola› im «Blauen Engel›. Ich habe Marlene geformt, sie ist mein Geschöpf, nun ist sie ein Weltstar. Und du - wann kommst du?»
«Ich komme, sobald meine Aufnahmen für ‹SOS-Eisberg› beendet sind. Ich hoffe sehr, im Frühjahr.»
Mit diesem Versprechen trennten wir uns, nachdem wir am Abend in der Edenbar bis nach Mitternacht mit reichlich Champagner ein zweites Mal Abschied gefeiert hatten - diesmal für lange Zeit.
Am folgenden Tag - es war Heiligabend - hatte ich noch lange nicht alles für meine Reise in die Schweizer Berge vorbereitet. Immerhin würden die Aufnahmen einige Monate dauern.
Während ich meine Koffer packte, läutete die Türglocke in einem fort. Boten brachten die noch vor dem Fest zu liefernden Waren und eine Menge Weihnachtsgeschenke. Es klingelte schon wieder. Ärgerlich und nervös riß ich die Tür auf. Fassungslos starrte ich in das verlegen lächelnde Gesicht von Dr. Goebbels. Noch ehe ich einen Laut herausbringen konnte, sagte er: «Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen nur frohe Festtage wünschen und ein kleines Weihnachtsgeschenk überreichen.»
Stumm ließ ich ihn herein. Als er die großen Schrankkoffer sah, fragte er überrascht: «Wollen Sie verreisen?»
Ich nickte.
«Fahren Sie längere Zeit fort?»
Wieder nickte ich.
«Wohin reisen Sie - wann kommen Sie zurück?»
«Ich bleibe lange fort. Zuerst werde ich mich beim Skilaufen erholen, und dann muß ich meine Aufnahmen für SOS-Eisberg machen.» Goebbels erregt: «Bitte, fahren Sie nicht weg.» Als er meine abwehrende Handbewegung sah, bat er: «Haben Sie keine Angst, ich werde Ihnen nicht mehr zu nahe treten - aber ich möchte Sie wenigstens ab und zu sprechen können. Ich bin sehr allein, meine Frau ist schwer erkrankt. Sie liegt im Krankenhaus, und ich bange um ihr Leben.» Er sagte dies mit einem so bewegten Ausdruck, daß ich fast Mitleid mit ihm empfand. Vor allem bestürzte es mich, daß Magda Goebbels in einer Klinik war.
«Hören Sie, Doktor, Ihr Platz ist jetzt mehr denn je bei Ihrer Frau. Jede freie Minute sollten Sie bei ihr sein.» Ich konnte diesen Menschen nicht verstehen. Goebbels war sehr niedergeschlagen. Er setzte sich, ohne seinen Mantel auszuziehen, auf die Couch.
«Sagen Sie mir wenigstens, wo Sie zu erreichen sind, daß ich Sie anrufen kann.»
«Das weiß ich nicht. Ich werde die Wintersportplätze wechseln und habe noch keine Ahnung, wann die Aufnahmen für den Film beginnen.»
Nachdem er die Hoffnungslosigkeit seiner Bemühungen einsehen mußte, verschwand das Menschliche aus seinen Zügen. Sein Gesicht wirkte nun maskenhaft. Er überreichte mir zwei Päckchen und sagte: «Ein Weihnachtsgruß.»
Als die Tür hinter ihm zu war, öffnete ich seine Geschenkpakete. In einem Päckchen befand sich ein in rotes Leder gebundenes Exemplar der Erstausgabe von Hitlers «Mein Kampf» mit einer von Goebbels hineingeschriebenen Widmung, im zweiten eine Bronzemedaille mit dem Relief seines Kopfes. Wie geschmacklos, dachte ich, sich selbst zu verschenken. Wenig später ging ich zu meinen Eltern. Dieses Weihnachten war für uns ein trauriges Fest. Mein Vater hatte große geschäftliche Sorgen. Er mußte mehr Arbeiter und Angestellte entlassen. Auch war Heinz zum ersten Mal nicht bei uns. Er war als Mitarbeiter meines Vaters in Indien und mußte dort in dem Palast des Maharadscha von Indore eine Klimaanlage einbauen. Diesen interessanten Auftrag hatte Heinz durch den bekannten Architekten Eckart Muthesius erhalten, mit dem er befreundet war.
Endlich war ich wieder in den Bergen! In St. Anton am Arlberg konnte ich mich in der vielleicht besten Skischule der Welt bei Hannes Schneider verbessern und die neueste Technik erlernen. Ich fühlte mich dort wie zu Hause. Die meisten Skilehrer hatten in unseren Bergfilmen mitgewirkt, und wir alle verstanden uns ausgezeichnet. Die Freude an diesem herrlichen Sport ließ mich alles vergessen, was mich vorher bedrückt hatte. Selbst meine beruflichen Pläne traten in den Hintergrund.
Als ich eines Nachmittags von einer Abfahrt in mein «Hotel Post» zurückkam, sagte mir der Hoteldirektor, ein gewisser Dr. Goebbels habe schon mehrere Male
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